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Böskupp van Börkum

Ärzte auf unserer Insel in alter Zeit

vom Nordseebad zum Nordseeheilbad Borkum
Borkum

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Für unser Heilbad ist es selbstverständlich, daß eine genügend große Anzahl von versierten, mit allen therapeutischen Belangen vertrauten Kurärzten vorhanden ist. Zur Zeit des Beginns unseres Bades bestanden diese Notwendigkeiten noch nicht. Die Gäste kamen in erster Linie nur zum Entspannen hierher, und nur zögernd setzte sich der Gedanke über die heilenden Kräfte eines Seeaufenthaltes durch. So benötigten sie kaum die Betreuung durch einen Arzt.

Es blieb als Aufgabe für hier wohnende Mediziner, für die Gesund¬heit nur der Einwohner zu sorgen, ohne die Zweckmäßigkeit von Badekuren zu propagieren, denn Baden und Inhalieren war nicht im Sinne der Insulaner. Dazu kam, daß die Gemeinde nicht groß genug war, einem Arzt ein Einkommen zu ermöglichen. Noch herrschte wirtschaftliche Notzeit, und man verdiente kaum genug Geld zum Leben, geschweige denn, man hatte solches, um sich bei Krankheiten behandeln lassen zu können.

Das Königliche Medicinal-Collegium in Hannover kannte die Schwierigkeiten! ,,Bei der Eigentümlichkeit der Verhältnisse, der so sehr isolierten Stellung der Insel und des bei der zu bringenden Aufopferung nicht im Verhältnis stehenden Erwerbs und den kärglichen Subsistenzmitteln dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, daß von seiten der königlichen Landdrostei dahin gewirkt werde, daß der für Borkum zu stellende Landchirurgus nicht Nahrungssorgen preisgegeben werde, in welcher Beziehung das Gehalt von 200 Reichstalern um so sicherer als Minimum zu betrachten sein dürfte, da der Erwerb von der Praxis bei den Insulanern so ganz ungewöhnlich gering ausfallen möchte." Dieser Zuschuß lag kaum über dem Existenzminimum. Trotzdem meldete sich Dr. Johann Friedrich Ripking. Im Alter von 34 Jahren trat er 1838 seine Praxis an. Voll ärztlicher Begeisterung geht er an sein neues Betätigungsfeld. Viel gab es für ihn nicht zu tun, so daß er hinlänglich Muße hatte, sich auf der Insel umzusehen.

Lassen wir ihn selbst berichten: ,,Krankheiten findet man außer Erkältungen, Gicht und dem in allen an der See gelegenen landen endemischen Scharbock wenige, ausgenommen gastritische, deren Ursache in der häufigen Überladung des Magens mit schweren, unverdaulichen Speisen zu suchen ist und hier den Grundcharakter aller Krankheiten seit einer Reihe von Jahren zu bilden scheinen. Auch Ausschlagskrankheiten wie Krätze, Flechten usw. sind hier eine seltene Erscheinung. Desgleichen ist Grindkopf, eine sonst in Ostfriesland häufige Krankheit unter den Kindern, hier selbst sehr selten. Dagegen sind Scropheln, Wurmleiden und deren Folgen hier eine ziemlich häufige Erscheinung und wohl in der häufig harten, groben, zähen und unverdaulichen Nahrung der. Insulaner, wie getrocknete Fische, Erdäpfel, grobes Roggenbrot, Mehlspeisen usw., zu suchen.

Im allgemeinen herrscht hier unter den Einwohnern ein sehr gesunder Zustand des Körpers, und ich habe deswegen als Arzt nur sehr wenig zu tun."

Während der ersten Jahre seiner Praxistätigkeit kamen zunächst vereinzelt Erholungsuchende nach der Insel. Ripking erkannte, welchen Nutzen die Einwohner hieraus ziehen konnten, und wandte sich der Förderung des Fremdenverkehrs zu. Wie richtig er gesehen hatte, geht aus einem Bericht über die Hauspreise 1843 hervor. Bis kurz vor seiner Ankunft waren in Borkum wegen der hohen Grundsteuer und mangelnden Nachfrage viele Häuser abgerissen worden. ,,Allein jetzt fühlt man bei jährlicher Zunahme der Bevölkerung den Mangel an Wohnungen recht empfindlich, und jemand, der kein eigenes Haus besitzt, mag froh sein, wenn er in irgendeinem Haus eine Wohnung zur Miete bekommen kann. Überdies nehmen die wenigsten Einwohner gerne Dauermietsleute an, weil sie durch die Vermietung ihrer Zimmer an die Badegäste für die kurze Zeit der Badesaison mehr damit verdienen und sich nur einen Monat bis sechs Wochen in ihren Häusern dadurch beengt fühlen. Auch sind die Häuser, welche jetzt vielleicht durch den Tod ihrer Besitzer käuflich werden, so schrecklich teuer, daß sie den eigentlichen Wert der Gebäude bei weitem übertreffen. Es werden hier Häuser zu 1000 und mehr holländischen Gulden verkauft, die in früheren Zeiten kaum für 400 bis 500 Gulden an den Mann gebracht werden konnten."

Als Festländer wußte Ripking, wie ungern eine Reise angetreten wurde, wenn nicht die Wohnung für die Zeit der Erholung ausgemacht war. Deshalb richtete er am 12. Juni 1844 eine Art Verkehrsverein ein. ,,Vor Anfang der Badesaison werde ich eine Liste von sämtlichen Wohnungen, worin Badegäste aufgenommen werden können, aufnehmen, und es würden sich dann diejenigen, die auf längere Zeit hier zu bleiben wünschen, an mich zu wenden haben, damit ich für sie eine Wohnung fest mieten kann."

Als Arzt denkt er aber auch an Kranke, für die ein Aufenthalt auf der Insel Gesundung bringen soll. ,, Ich habe jetzt ein großes leerstehendes Haus, worin sich drei Zimmer und ein großes Hinterhaus befinden und das von einem ziemlich guten Stück Gartengrunde umgeben ist, auf fünf Jahre gemietet und kann zwei Zimmer davon, in denen sich zwei Bettstellen nebst einem Kamin befinden, gleichfalls an Badegäste, vermieten, und es würden kranke Badegäste, die sich meiner besonderen Obhut anvertrauen wollen, von mir in meiner Wohnung mit Vergnügen aufgenommen werden. Ich kann jedoch nur eine Familie oder ein paar Kranke, die selbst für Betten sorgen müssen, in meinem Hause aufnehmen."

Mit dieser Absicht greift Ripking den modernen Gedanken einer ärztlich geleiteten Pension auf.

Auf seine Anregung hin werden 1842 zur Bequemlichkeit der Badegäste Badeeinrichtungen besorgt. Da Borkum selbst nicht genug Geld hatte, wandte er sich an das Inselbad Norderney, um von dort zwei Badekarren zu borgen. Zusätzlich legte man der Hannoverschen Regierung eine Bitte um Unterstützung vor, die von dem zuständigen Beamten befürwortet wurde: ,,denn die wirtschaftliche Lage sei so schlecht, daß eine Einnahme durch die Reisenden nur zu begrüßen sei. Würde nichts geschehen, so wäre zu befürchten, daß das zum Vorteil der Insulaner schon ziemlich in Aufnahme gekommene Seebad verfallen würde."

Ripking mochte gehofft haben, daß er Einnahmen aus dem aufstrebenden Badebetrieb in solchem Unfange gewinnen könnte, daß er die zu geringen Einnahmen aus seiner Inselpraxis so aufbesserte, um davon leben zu können. Er sah sich in diesen Hoffnungen getäuscht. 1849 verläßt er mit seiner Familie die Insel und wandert nach. Amerika aus. Die Landdrostei Aurich bat nunmehr das Königliche Obermedizinal Collegium um Namhaftmachung eines Wundarztes, der seine Tätigkeit auf Borkum aufnehmen wolle. Dabei stellte man die Forderung, daß er berechtigt sei, selbst zu dispensieren, d. h. selbst Arzneien herzustellen und zu vertreiben, da die Beschaffung aus der Emder Apotheke zu zeitraubend und zu teuer sei. Als Entschädigung sollte ihm jährlich der Betrag von 200 Reichstalern aus der Staatskasse gezahlt werden.

An dem Feldzug gegen Dänemark, 1848, nahm als junger Feldchirurg Ferdinand Friedrich Rohde aus Bergen, Kreis Wustrow, teil. Er hatte 1843 seine Prüfung an der chirurgischen Schule zu Hannover so gut bestanden, ,,daß er nicht allein die Wundarzneikunst in beschränktem Maße und Geburtshilfe ausüben kann, sondern es ihm auch gestattet werden kann, seine chirurgischen Kranken und in dringenden Zufällen des Wochenbettes innere Arzneien zu verordnen, ja ein Stadt- und Landchirurgat zu versehen". Da er sich mit der vorgeschlagenen Bezahlung einverstanden erklärte, wurde er am 31. Dezember 1849 nach Borkum berufen.

Auch er kannte die damals neue Mode, während des Urlaubs an die See zu fahren. Wenig bekannt aber war Borkum. Deshalb griff er zur Feder und warb in Artikeln für seine neue Wirkungsstätte.

Er stellte das Besondere Borkums im Gegensatz zu dem höfischen Norderney heraus: ,,Hier lebt man fürwenig Geld gut und ungeniert, hier fühlt man den Druck der sogenannten Etikette nicht, hier kleidet sich ein jeder, wie es ihm beliebt." Seine werbenden Artikel halfen mit, daß 1850 255 Fremde die Insel besuchten, gegen nur 100 im Jahr vorher. Auf seine Anregung hin wurde in diesem Jahr die erste Kurliste herausgegeben.

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Borkum

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Das Einkommen des rührigen Wundarztes stand in keinem Verhältnis zu seiner Tätigkeit. Im ersten Jahr verdiente er nur 15 Reichstaler zu seinem Gehalt, während seine Ausgaben 295 Reichstaler betrugen. Er war gezwungen, 80 Reichstaler mehr auszugeben, als er einnahm. „Dieses mich so sehr beunruhigende und hart treffende Faktum hatte nun folgende Ursachen: Die ca. 400 Bewohner des Eilandes sind fast ohne Ausnahme so mittellos, daß sie in Krankheitsfällen selbst bei dem besten Willen sogar zur Bezahlung der verbrauchten Medikamente vielmals außerstande sind. So also verliert der hier lebende Landchirurgus doppelt, indem er

 

  1. meistenteils sein Honorar für die Behandlung und
  2. das Geld für die Arzneien einbüßen muß.

„Die feste Besoldung von 200 Reichstalern reicht aber zum Leben auf der Insel - ist man wie ich kein geborener Insulaner und daneben zum dreimaligen Fischessen pro Tag untauglich - in keinerlei Hinsicht aus, weil alle nur vom Continent zu aquirierenden und mit einer dreifachen Fracht zu bezahlenden Lebensbedürfnisse hier durch-schnittlich in der Tat um 1/4 im Preise höher sind als dort. Will ich nun nicht physisch und moralisch verkümmern und so sukzessiv - gleich meinem Vorgänger - total zugrunde gehen, so muß Hohe Königliche Landdrostei Aurich ich gehorsamst dringend ersuchen, meine feste Besoldung zu erhöhen." Das Gesuch wurde abschlägig beschieden.

Trotz seines geringen Verdienstes bemühte er sich weiter um die Entwicklung des Bades. 1852 gewährte die Landschaft einen Zuschuß von 50 Reichstalern zur Aufstellung eines Badezeltes, auch ein Sommerzeit und eine Kegelbahn wurden am Strand errichtet. 1854 regte er die Einrichtung einer ständigen Badekommission an und zeichnete für ihre Beschlüsse mit seiner Unterschrift. 1856 wirkte sich die Ver-längerung der Bahnlinie von Meppen nach Emden günstig auf die Besucherzahl aus. 1857 kamen 600 Badegäste nach Borkum, das wa¬ren die Hälfte mehr als im Jahre vorher. Diesem Zustrom war der kleine Ort nicht gewachsen. Es gab Schwierigkeiten bei ihrer Versor¬gung, denn „haben sie Kochtopf und Löffel nicht mitgebracht, sind sie nach wie vor schlecht dran".

Die finanziellen Verhältnisse Rohdes besserten sich nicht. Um seine Einnahme zu erhöhen, ernannte die Regierung ihn unter Gewährung der für diesen Posten üblichen Besoldung zum Inselvogt. Leider brachte ihm dieser Posten kein Glück. Er erlag der Versuchung, das Strandgut nicht gesetzesmäßig zu bergen. ,,Wir bemerken dabei, daß ein gewisser Rohde den Wirkungskreis eines Vogtes und eines Landchirurgus bisher vereinigte, daß derselbe auch tatsächlich die Geschäfte eines Badearztes wahrnahm. In der Eigenschaft als Vogt ist ihm die Stelle wegen erheblicher Dienstwidrigkeiten gekündigt, die Befugnis zum Serbstdispensreren entzogen, dagegen wird er zur Zeit wenigstens als Landchirurg nicht beseitigt werden können." Aufgrund dieser Vorkommnisse wurde ihm der Prozeß gemacht, der mit seiner Verurteilung endete. Nunmehr lebte er von der Vermietung an Badegäste. Am 21. September 1870 verstarb Rohde, der letzte Landchirurg.

Die fortschreitenden medizinischen Erkenntnisse, die Gewohnheit, bei Erkrankung einen vollausgebildeten Arzt aufsuchen zu können, ließ auch auf Borkum den Wunsch lauter werden, einen Arzt hier zu haben. Das wurde unterstützt durch die immer zahlreicher werdenden Badegäste, war doch 1865 das erste Tausend überschritten. Doch immer wieder erwies es sich, daß die Zahl nicht ausreichte, einen Arzt zu ernähren. Der Hannoversche Staat hatte mit den seit Jahrzehnten gewährten Zahlungen und auf Bittgesuche hin mit zusätzlichen Unterstützungen für seinen Teil zu helfen versucht, ohne daß mehr als das Existenzminimum erreicht worden wäre. Die Gemeinde selbst besaß keine Einnahmen, die Zahlungen ermöglicht hätten. Der Staat half sich wieder, indem er einen Posten, der nicht viel Arbeit erforderte, aber mit Mitteln ausgestattet war, mit dem Arztdienst zu verbinden. „Der Vogtdienst allein gewährt keine genügende Beschäftigung auf Borkum, ein geeigneter Arzt auf Borkum ist sowohl für die Insulaner als auch für die Badegäste wünschenswert. Einer wird aber neben dem Rohde ohne feste Einnahme schwerlich bestehen können, diese Einnahme von 300 bis 400 Reichstalern ihm aber nur durch die Vogtstelle zu gewähren sein."

Das Obermedizinalkollegium macht unter diesen Voraussetzungen den Dr. nied. Ludwig Otto Reinicke namhaft. Er war 27 Jahre alt und für Borkum auch deshalb besonders geeignet, weil er vor seinem Studium eine zweijährige Lehrzeit der „Apothekerkunst" durchgemacht hatte. Am 14. Mai 1861 begann er seine Praxis. Weil er gleichzeitig Vogt war, mußte er nach alter Gepflogenheit das Vogthaus zum Taxwert übernehmen. Es stand dort, wo heute das Polizeirevier ist.

Auf dem Platz des alten Vogthauses neben der Kirche war ein Hotel errichtet worden. Trotz der staatlichen Unterstützung konnte Reinicke nicht genügend verdienen und verließ nach kaum zwei Jahren wieder die Insel und ging nach Hoya.

Nach seinem Weggang war die Bevölkerung nicht ohne Arzt; denn noch wirkte der Wundarzt Rohde. Trotzdem beabsichtigte die Hannoversche Regierung, einen Vollarzt zu beschäftigen: ,,Was sodann die Wiedereinstellung eines Arztes auf Borkum anlangt, so halten wir dieselbe nicht nur für notwendig, sondern müssen auch wünschen, daß sofort ein Arzt provisorisch sich dort aufhalte. Dabei ist demselben zu eröffnen, daß der provisorisch zugelassene Arzt mit einer Reise¬apotheke sich zu versehen habe."

Hier handelt es sich eindeutig um den ersten, nur für die Badesaison tätigen Arzt. Er erhält eine monatliche Subvention von 25 Reichstalern. Dr. med. Adrian Hermann Hübner meldete sich für diesen Posten. Er hatte sein Studium unter schweren wirtschaftlichen Sorgen in Göttingen beendet. Bei seiner Anstellung ergaben sich Schwierigkeiten aufgrund der damaligen Kleinstaaterei. Er stammte aus Itzehoe und war damit dänischer Staatsangehöriger. Die Erlaubnis zur Niederlassung bekam er erst, als der dänische Staat erklärte, daß er keine Ansprüche auf Hübner in bezug auf Militärdienst erhebe. Hübner war nicht abgeneigt, dauernd in Borkum zu bleiben. Von seinem Vorgänger wußte er, daß derselbe von den Borkumern ca. 50 Reichstaler und von den Badegästen 150 Reichstaler als Gegenleistung empfangen hatte. Da er von diesem Geld nicht leben konnte, beantragte er einen Zuschuß von 300 Reichstalern. Sie wurden ihm abgelehnt. Nach einer Badepraxis von etwas über zwei Monaten verließ er die Insel

Da in den nächsten Jahren weder ein ständiger noch ein Badearzt anwesend war, hatte sich die Gewohnheit eingebürgert, daß sich auf der Insel aufhaltende festländische Ärzte Erkrankten zur Verfügung stellten. 1866 bewirbt sich der Ostfriese Dr. med. Theodor Kirchner um die Dauerpraxis. Er glaubte, ohne Staatsbeihilfe auskommen zu können und begann am 5. März 1866 hier zu praktizieren. Die hohe Fremdenzahl von 1024 im Jahre 1865 mag ihn dazu veranlaßt haben. 1866 besuchten aber, vermutlich im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen dieses Jahres, nur 500 die Insel. Unter solchen Verhältnissen konnte Kirchner nicht leben. Er ging nach Oldersum, wo sein Vater eine ärztliche Praxis besaß und später nach Remels.

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In den nächsten Jahren lehnt die nunmehr preußische Regierung irgendwelche Unterstützung für den Arzt ab. Die Inselgemeinde konnte sich nicht entschließen, aus eigenen Mitteln eine Unterstützung für einen Dauerarzt aufzubringen. Der Badekommission lagen aber immer wieder Wünsche der Badegäste nach einem Arzt vor. Da endlich entschloß man sich, 300 Reichstaler aus der Badekasse abzuzweigen, um für die nächsten drei Jahre jeweils für die Badesaison einen Arzt auf der Insel zu haben. Dieser Entschluß ist umso höher zu werten, da man noch keine festen Einnahmen aus der Kurtaxe kannte. Am 19. Mai 1870 erschien in der Ostfriesenzeitung folgende Anzeige: „Für Ärzte! Es wird ein Badearzt für Borkum gesucht. Reflektanten wollen sich unter Angabe ihrer Bedingungen baldmöglichst melden an die Bade-Commission." Von den Bewerbern wurde für die Saison 1870 Dr. med. Wynen angestellt. Am 14. Juni lautet die Anzeige „Nordseebad Borkum. Während der diesjährigen Saison ist ein Arzt mit den nötigen Medikamenten hier anwesend."

Im selben Jahr wurde die Arztfrage für Borkum ganz besonders wichtig, weil Wundarzt Rohde verstarb. Damit wäre die Insel für die meiste Zeit des Jahres ohne irgendwelche ärztliche Hilfe gewesen. Die Gemeinde wandte sich deshalb an die preußische Regierung und bat um einen vom Staat unterstützten Arzt, der dauernd anwesend bliebe. Dieses Gesuch wird von der Regierung mit dem Hinweis abgelehnt, daß eine solche Anstellung Sache der Gemeinde sei. Diese aber erklärte sich außerstande, eine solche Unterstützung aufbringen zu können. Auf nochmalige Vorstellung der Insulaner antwortet die Regierung: ,, Ich habe daher beschlossen, demjenigen Arzt, welcher auf der Insel seinen Wohnsitz nehmen wird, für die unentgeltliche Behandlung der kranken Armen eine Renumeration bis zum Jahresbetrag von 250 Reichstalern aus Gentralfonds zu gewähren."

Trotz der Ausschreibung im amtlichen Verordnungsblatt meldeten sich unter diesen Umständen keine Bewerber. Amtsvogt Abtmeier macht der Gemeinde den Vorschlag, die früher für den Badearzt ausgegebenen 300 Reichstaler nunmehr für den Dauerarzt zur Verfügung zu stellen. Dieser Vorschlag scheiterte.

Nach Abschluß der Saison verließ Dr. Wynen die Insel. Borkum war ohne Arzt und keine Aussicht, daß einer kommen würde. Unter dem Druck dieser Verhältnisse erklärte sich am 7. November 1870 eine Gemeindeversammlung bereit, aus der Badekasse jährlich 300 Taler für einen Dauerarzt zur Verfügung zu stellen, trotzdem aber weiterhin keine Kurtaxe zu erheben. Die Haupteinnahmen des Bades bestanden damals in dem Verkauf der Badekarten und Fremdenlisten.

Am 19. November 1870 erschien im Amtsblatt für Ostfriesland folgende Ausschreibung: ,,Durch den Herrn Minister der geistlichen Unterrichts¬und Medicinalangelegenheiten sind wir ermächtigt, einem Arzte, welcher auf der Insel Borkum seinen Wohnsitz nehmen wird, die unentgeltliche Behandlung der dortigen kranken Armen gegen eine jährliche Renumeration von 250 Reichstalern aus Gentralfonds zu übertragen. Außerdem hat die Gemeinde Borkum sich bereiterklärt, dieser Renumeration aus Gentralfonds eine Renumeration von 300 Reichstalern aus der Bade-Gasse hinzuzufügen, solange letztere imstande ist, diese Summe aufzubringen! Bei der von Jahr zu Jahr zunehmenden Frequenz des Borkumer Seebades ist jedoch kaum zu befürchten, daß der Bade-Gasse die Mittel zur Bestreitung der fraglichen Summe ausgehen sollten. Wir fordern demnach Ärzte, welche zur Wohnsitznahme auf der Insel geneigt sind, auf, sich innerhalb drei Wochen bei uns zu melden. König 1. Preuß. Landdrostei."

Auf diese Ausschreibung hin meldeten sich mehrere Ärzte. Gewählt wurde Dr. med. Krieger. Da zuviel Zeit zwischen Ausschreibung und Wahl vergangen war, hatte er eine andere Stelle angenommen und verzichtete. Als zweiter Bewerber hatte sich Dr. med. Gerd Fokke Schmidt aus Dornumergrode beworben. Auf Anfrage teilte er mit, daß er bereit sei, die Stelle zu übernehmen. Am 19. März 1871 eröffnete er in Borkum seine Praxis.

Ärzte in alter Zeit hatten es schwer auf der Insel. Einwohner- und Badegastzahlen waren so gering, daß nicht einmal das Existenzmini¬mum verdient werden konnte. Trotz ihres Idealismus, mit dem sie sich für die Entwicklung des Bades einsetzten, konnten sie hier nicht Fuß fassen. Erst als die Frequenz der Badegäste eine gewisse Höhe erreicht hatte, war die Existenz gesichert.

Quellennachweis: Ärzte auf unserer Insel in alter Zeit | Dr. H. Linke | KVB 125J Nordseeheilbad Borkum | Erarbeitet durch Schönbeck-Borkum

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