Vom Fährschiff zur Autofähre
1850 Fahrtdauer von Emden nach Borkum bei günstigen Wind und ablaufenden Wasser sechs bis sieben Stunden, bei konträrem Wind und auflaufenden Wasser 12 und mehr Stunden
Beginn unseres Bades - Borkum
Wenn der Beginn unseres Bades auf das Jahr 1850 datiert wird, so beruht das auf der Tatsache, dass in diesem Jahr die erste Kurgastliste erschien. Sie enthielt 255 Personen, die sich auch noch auf die ganze Saison vom 15. Juni bis 1. September verteilen. Doch schon zwei Jahrzehnte früher kamen die ersten zahlenden Gäste. sie suchten Borkum wegen seiner Bequemlichkeit und Ungezwungenheit gegenüber dem höfisch- steifen Modebad Norderney und wegen der Preiswürdigkeit auf. So wurden 1840 schon 80 Gäste gezählt. 1846 bereits 300, 1848 kamen wegen der Revolution nur 10. Auch für diese wenigen wurden schon Badekarren am Strand aufgestellt. Bei dieser geringen Anzahl von Gästen war eine besondere Personenschiffsverbindung unrentabel, und so mussten sie mit der vorhandenen Fährverbindung, die nur jede zweite Woche fuhr, vorliebnehmen. Die Borkumer hatten eigene Schiffe oder benutzten solche von Verwandten oder bekannten.
Die Fährschiffe waren private Segelboote mit amtlichem Auftrag. Sie dienten vornehmlich der Güterbeförderung und waren nur unzureichend für Personenfahrten eingerichtet. Die Fahrt an Deck war durch wind und Wetter ungeschützt. Es gab keine Verpflegung, auch fehlten Toiletten. Für 10 bis 12 Personen stand eine mit hölzernen Bänken versehende Kajüte zur Verfügung, doch musste diese Annehmlichkeit mit einem Aufpreis bezahlt werden. Da nur Segelantrieb vorhanden war, dauerte die Fahrt von Emden nach Borkum bei günstigen Wind und ablaufenden Wasser sechs bis sieben Stunden, bei konträrem Wind und auflaufenden Wasser 12 und mehr Stunden. Erschwerend kam noch hinzu, dass auf Borkum kein Hafen vorhanden war. Man musste weitab vom Ort ankern, dann ausbooten in kleine Ruderboote und eine bis eineinhalb Stunden in einem offenen, ungefederten Wagen auf ungepflasterten Wegen durch die Dünen in den Ort fahren.
1831 fährt Jan Daniels Klein, 1832 die Gebrüder Teerling, 1833 – 1839 K. K. van Dyk mit seinen Schiffen „Vriendschap“ und „Johannes“ und Jan Jansen Staghauer mit „De 2 Gebroeders“. Sie sind die ersten, die Badegäste nach der Insel mitbringen. Die letzte nachweisbare amtliche Fährmann ist Klaas Gerhards. Mit seinen Fährschiffen „Aurora“ und „Johanna“, die schon einen Motor hatten, versah er seinen Post- und Fährdienst bis zum Beginn des 1920er Jahrhunderts. Eine fahrt von Borkum nach Emden beschreibt ein Fahrgast: „Die Passagiere, etwa 20 an der Zahl, bestiegen trocknendes Fußes nachmittags ein Uhr das kleine, etwa 25 Tonnen fassende Fährschiff „Aurora“ im Hopp, der damaligen Rhede. Sie hatten nun noch einige Stunden Zeit, das Steigen des Wassers zu beobachten; denn erst nach Flottwerden des Schiffes konnte die Reise ihren Anfang nehmen. Widrige Winde ließen es aber nicht zu, dass das Reiseziel an diesem Tage erreicht wurde. Auf halber Strecke musste geankert und bis zur Weiterfahrt die nächste Flut abgewartet werden. Erklärlich, dass dadurch erst am nächsten Tag, vormittags, 10 Uhr, also nach 21stündiger Reisedauer, das Fährschiff in Emden am Delft anlegen konnte.
Allerhöchstens 12 Personen
Die sogenannte Kajüte gab allerhöchstens 12 Personen Platz. Dann mussten schon die zwei vorhandenen Schiffskojen mit in Anspruch genommen werden. Die restlichen Fahrgäste hatten die Wahl, entweder an deck zu bleiben oder irgendwo im Schiffsraum unterzukommen, um dadurch vor den gröbsten Witterungsbedingungen geschützt zu sein. Dass nach einer solchen Überfahrt die Fahrgäste mehr oder weniger den Eindruck von Schiffbrüchigen machten, ist leicht verständlich. Günstige Wind- und Flutverhältnisse erlaubten wohl schnellere Fahrten, aber durchschnittlich musste mit einer Fahrtdauer von sechs bis sieben Stunden gerechnet werden.
Für die Fahrt nach Emden wurden in der 1. Kajüte 20, in der 2. 12 Neugroschen verlangt. Reisegepäck, das von den Reisenden getragen wurde, wie Hutschachteln, Nachtsäcke, Tragekörbe und sonstige kleinere Gegenstände, waren frei. Da man damals mit viel mehr Gepäck z. T. auch noch mit Bettzeug und Lebensmitteln, reiste als heute, war hierfür zusätzlich zu bezahlen. Für Koffer, Kisten, Schließkörbe und dergl. unter 75 Pfund 3 Neugroschen und über 75 Pfund 5 Neugroschen. Nichtverpackte Güter, insbesondere Haus- und Küchengeräte unter 10 Pfund – 1, von 10 bis 25 Pfund 2 Neugroschen usw. Bequemer und etwas schneller wurden die Fahrten, als von Emden und Leer aus die ersten Dampfschiffe eingesetzt wurden. Sie bedienten ursprünglich die Route Emden Delfzijl, und nur vereinzelt wurden Ausflugsfahrten nach der Insel Borkum vorgenommen. 1843 setzte die in Leer gegründete Gesellschaft „Concordia“ das hölzerne Dampfboot „Kronprinzessin Marie“ – genannt nach dem Hannoverschen Königshaus – in Fahrt. ersetzt wird es 1846 durch ein gleichnamiges eisernes Schiff. 1845 folgt die „Leer-/ Delfzijl- Emsdampfschiffahrts- Gesellschaft“ mit dem „Erbprinz Ernst August“. Die Anzahl der Borkumreisenden ist noch gering, weil Emden sowohl von den Bahnenden Oldenburg bzw. Meppen nur mit der Postkutsche zu erreichen ist. So laufen die Dampfer die Insel Borkum erstmalig 1846 einmal an, dagegen 1852 und 1853 schon fünfmal, jedoch das Fährschiff während des ganzen Jahres 23mal. Erst als Emden 1856 an das Eisenbahnnetz angeschlossen wird, steigt die Besucherzahl, da nunmehr auch Gäste aus dem Hinterland kommen können.
1867 kommt der Dampfer 51mal
und das Segelboot 26mal bzw. jeden fünften Tag
1867 kommt der Dampfer 51mal und das Segelboot 26mal bzw. jeden fünften Tag. 1889 wird die Bahnverbindung mit Oldenburg hergestellt. Die Besucherzahlen steigen, abgesehen von den Kriegsjahren 1864 und 1866, auf über 1000. Doch auch diese Fahrten auf kleine offene, nur mit einer Segelplane abgedeckte Schiffe hatten ihre Schwierigkeiten. 1862 berichtet ein Badegast: „Die Glocke läutet zum dritten Male. Der Kapitän besteigt den Radkasten, der Steg wird eingezogen, die Taue werden gelöst und langsam setzt sich der Dampfer in Bewegung. Kaum in der Mitte des Kanals angekommen, taucht er seine Schaufelräder rascher in die Fluten. Meide das hinter- und Vorderdeck und steige nicht in den Salon hinab, um dein Unwohlsein vor den übrigen Passagieren zu verbergen; denn dies alles würde Übel nur verschlimmern. Halt dich lieber in der Nähe der Maschine zwischen den Radkästen auf; denn da ist die schaukelnde Bewegung des Schiffes am wenigsten fühlbar und lass dir vom Restaurateur ein Glas Portwein oder einen Schluck Cognac und einen Hering oder ein Butterbrot mit Sardellen besorgen.“
Die zunehmende Frequenz der Seereisenden ruft andere Konkurrenzunternehmen auf dem Plan, deren Bestreben es ist, immer schnellere und komfortablere Schiffe einzusetzen. 1869 wurde di „Emder Dampfschifffahrt AG“ gegründet. Auch sie bedient mit ihren Fahrten zusätzlich die Insel. Die Routen werden immer weiter ausgedehnt bis nach Norderney, das damals noch keine Bahnverbindung Emden – Norddeich hatte. Auch Senator Dantziger setzt hierfür die „Norderney“ ein, die die Strecke Emden – Borkum – Norderney bedient. Die Reederei Rocholl stellte die Schiffe „Victoria2, „Leda“ und „Augusta“ in den Dienst, die teilweise bis in unsre Jahrhundert hinein den Inselverkehr versahen.
Fahrt nach Borkum mit größeren Komfort
Grundlegender Wechsel trat 1988 ein
War die Fahrt nach Borkum durch den größeren Komfort auch angenehmer, so blieb das Übel des umständlichen Ausbootens und der rumpelnden Wagenfahrt bestehen. Das hielt manchen Gast vom besuch unserer Insel ab. Trotzdem war die Zahl der Erholungssuchenden auf fast 3000 gestiegen. ein grundlegender Wechsel trat 1988 ein. Damals baute die Firma Habich und Goth an der Stelle des heutigen alten Hafens eine feste Landungsbrücke und verlegte eine Schmalspurstrecke von dort bis in den Ort.
Die Ostfriesische Zeitung schrieb darüber: „ Auf der Brücke, welcher man eine große Stärke und Festigkeit gegeben hat, steht bei Ankunft der Dampfschiffe der Zug schon bereit, welcher in etwa 20 Minuten die Reisenden auf die bequemste und angenehmste Weise mitten in den Ort hinein befördert. Der große schöne Bahnhof geht seiner Vollendung entgegen.Die Wirkung der guten Landung beginnt sich bereits zu zeigen: „Jeden tag bringen die Dampfer eine große Zahl von Badegästen.“ Ihre Zahl schnellte von 4500 im Jahre 1886 6242 / 1889 in die Höhe und war seitdem immer im Steigen. Die Landungsbrücke und die Inselbahn stand laut Konzessionsvertrag „sämtlichen Passagierdampfschiffen und sonstigen Passgierschiffen zur Verfügung“.
Der zunehmende Verkehr regte die Fa. Habich und Goth an, selbst ins Reedereigeschäft einzusteigen. Ab 1892 ließen sie zwei schiffe, die „Dr. v. Stephan“ und die „Varina“ nach Borkum verkehren. 1899 kam als „Varina“ - Ersatz die „Kaiser Wilhelm II“. Im selben Jahr schlossen sich die Dampfschifffahrtsgesellschaften von Leer und Emden zur AG- Ems zusammen, die mit nun fünf Dampfern bis viermal täglich Borkum anliefen.
Doch war die Insel nicht nur von Leer und Emden aus zu erreichen. Hinzu kamen Verbindungen von und nach Hamburg und Bremerhaven. Sie wurden von der Hapag und vom Nordd. Lloyd bis Norderney befahren. Dort übernahm die AG- Ems mit ihren schiffen die Passagiere, wenn die „Silvana“ wegen ihres Tiefganges nicht die Wattfahrt erledigen konnte. Bei günstigem Wasserstand wurde durch sie die Verbindung direkt durchgeführt.
Auch nach Groningen bestand eine direkte Linie, die mit dem „Kaiser Wilhelm“ betrieben wurde. Neben den Dampfverbindungen blieben aber auch die Fährschiffe „Johanna“, „Aurora“ und „Wobke“ im Dienst. Ihre Abfahrtzeiten lagen zwischen vier und acht Uhr morgens, da sie durch die Tiden bestimmt waren. Zwischen ihrer Ankunft in Emden, die durch Wind und Strömung nicht voraus zu bestimmen war, und der Abfahrt der Züge lagen oft stundenlange Wartezeiten, während die Dampfer immer auf Anschluss fuhren. Diese Tatsache und die Unbequemlichkeit während der Überfahrt beeinträchtigte ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Dampfern, so dass sie immer mehr an Anziehungskraft für den Personenverkehr verloren und schließlich fast ausschließlich der Güterbeförderung dienten. Die Zeit verlangte immer schnellere und modernere Schiffe. Deshalb wurden die alten Raddampfer, sie waren noch bis in die 1920er Jahre im Betrieb, durch Schraubendampfer ersetzt. Schließlich wurden sie durch Motorschiffe abgelöst.
1903 gab Habich und Goth die Reederei auf
„Borkumer Kleinbahn- und Dampfschifffahrtsgesellschaft“
1903 gab Habich und Goth die Reederei auf, und die ihr gehörenden Schiffe gingen in den Besitz der neugegründeten „Borkumer Kleinbahn- und Dampfschifffahrtsgesellschaft“ über, die bis in den 1950er Jahre bereederte. Die Kapazität der Schiffe musste wegen der Nachfrage immer mehr vergrößert werden. Fassten sie früher nur 100 bis 200 Personen, so stieg sie bis in die 1960er Jahre auf 300 bis 450 Personen. Eine Ausnahme machte nur die in 1926 gebaute „Rheinland“, die 1000 Passagiere befördern konnte. sie löste in der Helgolandfahrt die alte „Victoria“ ab.
Der steigende Autoverkehr forderte immer dringender die Weiterentwicklung der Schiffstypen. Anfänglich verlud man die überzusetzenden Autos mit dem Kran und hievte sie an Deck. Doch war das mit steigender Anzahl der zu befördernden Wagen – zumal LKW zu verladen waren – zu zeitraubend und umständlich oder sogar unmöglich. Deshalb kam 1968 an ein neuer Typ in den Betrieb; die Autofähren. Sie fassen 1000 Personen und 50 PKW.
Die Vergrößerung der Kapazität war erforderlich
Die Vergrößerung der Kapazität war erforderlich, weil die Badegastzahlen von Jahr zu Jahr stiegen und Kinder- und Sozialheime zusätzliche Transporte nötig waren. Nur durch den Einsatz dieser Autofähren ist es möglich, Personen und Autos reibungslos zu befördern.
Um auf den laufenden zu bleiben und sich den jeweils neuen Anforderungen anzupassen, bedurfte es immer wieder kostspieliger Um- Neu- und Erweiterungsbauten. Die dabei gewählte Namensgebung ist ein Spiegel der Zeit.
Segelschiffe bekamen ihre Namen
Segelschiffe bekamen ihre Namen aus dem Lebens- und Familienkreis der Schiffer: Vriendschaft, Aurora, 2 Gebroers, Johannes, Johanna, Wopke. die Dampfschiffe während dieser Zeit, als Ostfriesland zu Hannover gehörte: Kronprinzessin Marie, Erbprinz Ernst August, als Preußen wieder vom Land Besitz nahm: Wilhelm 1, Augusta, Victoria; in der Kaiserzeit: Kaiser Wilhelm II, Kronprinz, Prinz Heinrich, Dr. von Stephan und aus der engeren Heimat Borkum und Emden.
Mit der Ausweitung des Einzugsbereiches der Gäste tauchten die Namen der Länder auf: Rheinland, Westfahlen, Münsterland, Hessen, Bayern, Ostfriesland. So spiegelt sich in den Namen unserer Schiffe der Lauf der Zeit. Vom Fährschiff zur Autofähre vergingen Generationen. Jede versuchte, den Anforderungen ihrer Zeit gerecht zu werden.