Heilende Kräfte
Wir überblicken die letzten 100 Jahre unserer grünen Insel
Förderung Borkums zum Meeresheilbad
Überblicken wir die letzten 100 Jahre unserer grünen Insel, so werden wir erkennen, daß sie ihre märchenhafte Entwicklung vom kleinen Inseldorf zum führenden Heilbad in erster Linie den vielseitigen heilsamen, natürlichen Kräften verdankt, die in der Meeresluft und dem Meerwasser schlummern. Noch um die Jahrhundertwende lagen diese Reize verborgen. Ein Besuch der Insel galt damals vorwiegend dem Vergnügen, um in einer reizvollen Umgebung unterhaltsame Ferien zu verbringen. Aber dann trat allmählich die große Veränderung aller äußeren Lebensverhältnisse ein. Unter dem Einfluß von Arbeitslast und Arbeitstempo fand das beschauliche Dasein sein Ende. Von Jahr zu Jahr wuchs das allgemeine Bedürfnis nach Erholung und Entspannung. Und so wurde gerade die Insel Borkum mit ihrer Fülle von Licht und Sonne und Meer und ihrem Reichtum an Raum und an Unendlichkeit zu einer großen natürlichen Kraftquelle, die sich heute mehr denn je als unentbehrlich erwiesen hat.
Damit war das Vergnügen als die ursprüngliche Anziehungskraft zwar nicht von der Insel verdrängt. Es wird weiterhin fortbestehen, weil es gleichsam als Preis Arbeit heute so wie früher in dieser oder jener Form als unentbehrliche Ergänzung verlangt wird. Aber zum eigentlichen Ziel eines Inselaufenthaltes und zur entscheidenden Aufgabe unseres Bades wurde nunmehr die planmäßige Durchführung erfolgreicher Erholungs- und Heilkuren. Diese Entwicklung gestaltete sich gerade für Borkum durch seine Lage im offenen Meer und das dadurch bedingte Hochseeklima besonders günstig.
Noch heute haben reizvolle alte Badevorschriften aus der Jahrhundertwende ihre Gültigkeit. So hieß es damals: „Man halte sich möglichst viel in der frischen Seeluft auf, was man bei einiger Vorsicht bis gegen Abend tun darf". Oder „Am Tage der Ankunft sollte man unter allen Umständen nicht baden, ehe man sich von der Reise nicht gänzlich erholet hat". Oder "Ängstliche Vorbereitung zum Baden durch allmähliche Benetzung des Köpers ist nicht erforderlich. Man tauche vielmehr munter unter, nehme dann die Wellen mit dem Rücken und verhalte sich möglichst ruhig im Bade".
Im Laufe der weiteren Entwicklung' haben dann über die Erholungskuren• hinaus zunehmend die Heilku¬ren auf Borkum an Bedeutung gewonnen.
100 Jahre Nordseebad
Ein Besuch der Insel galt damals vorwiegend dem Vergnügen
Schon lange war bekannt, daß das Meerwasser als ,,die Ouelle aller Ouellen" in seiner Zusammensetzung bestimmten Heilquellen besonders nahe steht, vor allem den Solbädern, und daß es ebenso wie diese auf eine Reihe von Krankheiten einen heilsamen Einfluß ausübt. So wurde Borkum schon frühzeitig ein gesuchtes Heilbad bei den weitverbreiteten Drüsenerkrankungen, der Scrofulose, den vielseitigen Entwicklungsstörungen im Kindesalter und der Rekonvaleszenz nach fieberhaften und konsumierenden Krankheiten aller Art. Da sich bei schwächlichen Patienten die Anwendung warmer Seebäder besonders wirksam erwies, wurde das bereits im Jahre 1875 errichtete Kurmittelhaus weiter ausgebaut und damit die Entwicklung Borkums zum Meeresheilbad entscheidend gefördert. In noch höherem Umfange geschah dies durch den Ausbau der etwa 6 km langen Strandpromenade, wie sie in so imponierender Größe gleichsam im offenen Meer kaum irgendwo anders in der Welt anzutreffen ist. Den Kranken und Erholungsbedürftigen auf Borkum ist damit die Möglichkeit gegeben, die heilklimatischen Einflüsse der Meeresluft und des Meerwassers in ihrer unmittelbaren tiefgreifenden Wirkung auszuschöpfen und damit die zur Gesundung unerläßlich notwendige Umstimmung der körperlichen und seelischen Funktionen herbeizuführen.
Borkum wurde damit das führende Heilbad für die Erkrankungen der Atemwege, insbesondere die Katarrhempfindlichkeit, die in 80 % der Erkrankungsfälle zur Ausheilung gelangt. Borkum wurde neben Helgoland die bevorzugte Zufluchtsstätte aller Heufieberkranken. Borkum gehört heute zu den meist besuchten Asthmaheilbädern, nicht nur wegen seiner kristallklaren, allergenarmen Luft oder wegen der durch das Meeressalz herbeigeführten Umstimmung des bei allen Asthmatikern gestörten Mineralstoffwechsels, sondern auch wegen der erfolgreichen Beeinflussung der fast stets vorhandenen lästigen Begleitbronchitis. Nicht zu Unrecht wird der Strand der Insel Borkum als das größte natürliche Inhalatorium bezeichnet, das uns Ärzten für unsere Kranken zur Verfügung steht.
Auf der Insel Borkum haben auch die heute allgemein anerkannten Meerwassertrinkkuren ihren Ausgang genommen. Hier wurde am 28. 6. 1936 die erste Meerwassertrinkkuranlage errichtet. Die Heilerfolge der Meerwassertrinkkuren auf Borkum sind heute nicht mehr. umstritten und beruhen ebenfalls auf einer Transmineralisation, einer Umstimmung des Mineralstoffwechsels.
Ein bedeutender Arzt sagte kürzlich: die Kunst moderner Heilbehandlung liegt in der Vorbeugung. Hier winkt der Insel Borkum ihre große Aufgabe für die Zukunft. Denn die besten und zuverlässigsten Heilkuren im Sinne. der Vorbeugung sind planmäßig durchgeführte Abhärtungskuren im Hochseeklima. Sie stärken besser als jedes andere Heilmittel die Widerstandskraft gegenüber drohenden Krankheiten aller Art, sie sind heute ein beachtlicher Heilfaktor in der planvollen Lenkung unserer Volksgesundheit. So trägt die Insel Borkum heute wohlverdient ihren Namen als Meeresheilbad. Zu ihrer Jahrhundert¬feier darf. sie voll Stolz in die Vergangenheit und zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Allgeminmediziner , Kurarzt, Dr. med. Bensch - Borkum
Liegt unsere Insel auch „am Rande der Welt", so schlagen doch im Laufe zweitausendjähriger Geschichte die Wogen des Weltgeschehens auch ihren weißen Strand ...