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Böskupp van Börkum

Untergang des Motorkutters "Annemarie"

Borkum

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Ostfriesland – Die Stimmung im Saal von Claassens Hotel kann besser nicht sein. Es ist Turnerabend mit Ball, alljährlich ein Höhepunkt im Juister Kalender. Die Borkumer Jungs vom Turnverein „Jahn“ zeigen ihren Gastgebern an diesem Sonntagabend ihr athletisches Können, danach wird ausgelassen getanzt, getrunken, gelacht und gefeiert – bis zum frühen Montag. Auch am Mittag und gen Nachmittag ist die Laune bestens. Bevor die jungen Männer nach Borkum zurück müssen, sind sie noch zum Tee beim Juister Turner Peter Smidt eingeladen – oben im Juister Postamt. einer von Ihnen, Pianist Souchon, unterhält die aufgeräumte Runde mit Klaviermusik und dann heißt es aufbrechen.

Um 17 Uhr soll die „Annemarie“ ablegen, Richtung Borkum, nach Hause. Ihr Eigner, der Borkumer Badedirektor Wilke Specht, Fotograf Wessels, Berend Baalmann und Bootsführer Christians Harms sin schon übers Watt zum Boot gelaufen und warten an Bord. Die Jungs sind munter und pünktlich, wie die Flut. Das Schiff läuft mit gehissten Segeln aus und kommt nie an.

Was sich dann, nur wenige Stunden später, auf dem Meer ereignet, gerät zu einer Tragödie, die Bundesweit für Entsetzen sorgt. In der Nacht vom 21. auf dem 22. September 1931 strandet das Motorschiff „Annemarie“ im Seegebiet westlich des Memmert. von den 19 Borkumern an Bord kommen 15 in den Fluten um.

Bootsführer Christian Harms beschließt, die „Annemarie“ nördlich von Memmert nach Hause zu bringen. er glaubt, dass das Nordland nicht genügend geflutet ist und will es nicht riskieren, dort zwölf Stunden im Sand stecken zu bleiben. Die Jungen müssen am nächsten Tag wieder arbeiten, da heißt es, keine Zeit zu verlieren. Also sollten sie nördlich des Memmert segeln, da verläuft südlich um die gefährlichen Bänke eine sichere Fahrrinne, zwar nur sparsam mit Baken gekennzeichnet, aber Harms ist guten Mutes. Wilke Specht zögert, stimmt aber schließlich zu, der Bootsführermuss ja wissen, was er tut und kann. Obendrein ist der Wind zahm. Während die jungen Leute unter Deck dösen, wird es dämmerig, diesig und der Wind frischt extrem auf. Oben werden die Männer unruhig, denn sie finden die Seezeichen nicht. Auch Memmert ist nicht zu sehen.

Bewegender Brief an die Mitglieder der Juister DGzRS vom 24. September 1931

..... An meine Lebensretter! .....

Ich glaube, dass ihr alle, die Ihr Euer Leben gewagt habt, um mich aus Todesgefahr zu befreien, mich auch verstanden und meine Dankbarkeit auch gefühlt hättet ohne dieses Schreiben. Und doch möchte ich es nicht unterlassen, jedem einzelnen noch mal perdönlich zu danken für sein Kameradschaftsgefühl und seine Nächstenliebe. Wenn ich ein Rothschild wäre, ich würde es auf eine andere Art gutmachen. Doch leider besitze ich nicht mehr als das zum Leben notwendige. sollte ich noch mal nach Juist kommen, so werde ich nicht versäumen, Euch allen noch mal persönlich die Hand zu drücken.

Mit den besten Grüßen und Wünschen bin ich Euer ewig dankbarer Berend Baalmann

Quelle: Peter Smidt-Juist

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Der Strom ist tückisch und offenbar ist die „Annemarie“ nicht mehr auf Kurs. Der Bootsführer muss in die Osterems gelangen, aber Böen kommen auf und Grundseen. Er hat die sichere Fahrrinne verpasst und will auch das Ruder nicht mehr so, wie es sollte. Eine „Dwarssee“ überspült das Boot und plötzlich stößt der Kiel auf. Auf einen Schlag ist der Motor aus. Brecher stürzen über die „Annemarie, das Segel reißt in Fetzen und bald haben Strom und Brandung das Boot fest im Griff. Eldert Teerling, einer der kräftigen Borkumer Turner, kriecht durch die Brecher nach vorn und wirft den Anker. die Kette reißt und auch der zweite, stärkere Anker hält nicht. Heinz Bakker, der Rettungsschwimmer ist, will nach Memmert schwimmen und Hilfe holen, aber die anderen halten ihn zurück, der Ebbstrom würde ihn fortreißen. Nichts an Bord ist mehr trocken, so ist es unmöglich, ein Lichtsignal zu geben oder den Benzinvorrat anzuzünden. Es ist längst dunkel, die Männer frieren und oft reißt ein Brecher jemanden über Bord, aber es gelingt den anderen, ihn wieder aufs Schiff zu ziehen. Schließlich bindet Eberhard Janssen einige Jungen zusammen.

 

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Das Nahnmal stand länger als 20 Jahre auf dem Memmert. als die See um 1950 den Nordteil der Dünen auf dem kleinen Eiland zu zerstören begann, legte man das Kreuz nieder und transportierte es zurück nach Borkum. Dort erhielt es seinen Standort am Alten Leuchtturm und erinnert bis heute an den Untergang der "Annemarie" (Quelle Hans Kolde)

Als das Schiff trocken gefallen ist, erkunden die Männer im Dunkeln die Sandbank und schöpfen das Wasser aus der „Annemarie“. Sie sehen die Lichter vom Borkumfeuer, von Norderney, von Campen, vom Dorf Juist, aber wo ist Memmert? Vielleicht wäre es nur ein kurzer Weg dorthin. Doch dann wird bald klar: man ist mitten im Haaks-Gat mit seinen vielen unsicheren Sandbänken. Die Männer kehren zum Schiff zurück, in der Hoffnung, es trotz des Lecks bei der kommenden Flut wieder flott machen zu können. Doch das Vorhaben scheitert, das Boot liegt fest im Treibsand. Das Wasser kommt mit Macht zurück und mit ihm das Entsetzen. Die Brecher donnern über das Wrack und die Schiffbrüchigen. Jeder muss nun für sich alleine kämpfen, sich festhalten, trotz eisiger Kälte und Verzweiflung. Einer nach dem anderen wird über Bord gerissen. Als der Morgen graut und die Flut nachlässt, macht Heinz Bakker die Umrisse von Memmert aus und schwimmt hinüber. Mit letzter Kraft erreicht er das Haus von Vogelwart Otto Leege, der sofort per Fernsprecher den Vormann des Juister Rettungsbootes (WALPODEN AUS MAINZ) informiert und die Leute von Norderney und Borkum. Gerettet werden der Uhrmacher Eberhard Janssen, Vorturner Theo Heyen und Berend Baalmann; Heinrich Hilberts verliert im letzen Moment den halt im Rettungsgurt und versinkt, Otto Leege taucht vergebens nach dem jungen Turner.

Am Donnerstag, 24. September 1931, schreibt die „Borkumer Zeitung und Badezeitung“ (ein Auszug): „Als am Dienstagmorgen die ersten Meldungen über die Strandung des Motorbootes „Annemarie“ wie ein Lauffeuer durch die Gemeinde eilten, wird manches Herz in banger Ahnung erzittert sein. Aber noch bestand Hoffnung, noch war Ungewissheit, noch die Möglichkeit, all die Lieben wiederzusehen. Doch kurz darauf wurden ihre Hoffnungen zerstört....“ Die Pastoren Kruse, Immer und Ludgerus lassen am 24. September für die drei Borkumer Kirchengemeinden in der „Borkumer Zeitung und Badezeitung“ verlauten: „Selten hat wohl ein Leid mit solch erschütternden Ernst so viele Glieder unserer Gemeinden zu gleicher Zeit gemeinsam betroffen, selten eine Trauer in solchem Umfang so viele zu einer Gemeinschaft zusammengefügt, wie das Leid und die Trauer, die in diesen Tagen über Frauen, Kinder, Eltern hereingebrochen sind. Die See, die uns umschließt, die und Freude gewährt und Nahrung bringt, hat jetzt bitteres Leid über uns gebracht und fünfzehn Menschenleben dahingerafft, reife Männer, hoffnungsvolle Jünglinge. Lasst uns in diesen Tagen einander beweisen, dass wir trotz aller Gegensätze, die nun einmal Menschen nach deren Anschauungen trennen, dennoch eine große Gemeinschaft sind, dass etwas unter uns spürbar werde durch die Liebe und Hilfsbereitschaft und Opferwilligkeit: wir sind die Gemeinde der Insel Borkum. Und wie von jeden Männern berichtet wird, dass sie angesichts der drohenden Todesnot auf wellenumtoster Sandbank das Lied sangen, Großer Gott, wir loben dich´, so lasst uns auch darin zu einer Gemeinde uns hinweisen lassen, die den Blick des Glaubens stets emporrichtet zu Gott, dem lebendigen Gott. In gemeinsamen Stillehalten und ernstem Gehorsam lasset uns beugen unter Gottes gewaltige Hand, die uns jetzt demütigt; aber im gemeinsamen Blick des Glaubens auf die Gnade Gottes in Jesus Christus wollen wir uns auch die Kraft schenken lassen, die allein uns in Not, die uns betroffen hat, wieder aufrichtet. So können die Toten, um die wir trauern, Wegweiser uns sein zur Besinnung des Glaubens, zu neuer Liebesbereitschaft untereinander.“

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Nach den Opfern wird tagelang vergebens gesucht. Schließlich findet man Wilke Specht an der holländischen Küste, mit ihm ist das Namensschild seines Schiffes angetrieben worden. Der Pianist Souchon wird eines Morgens am Strand von Memmert entdeckt – Heinz Bakker, der sich auf der Vogelinsel bei Otto Leege von den Strapazen des Unglücks erholt hat, fährt mit dem Leichnam seines Freundes nach Borkum zurück. Anfang Oktober findet man Georg Wybrands am Strand von Juist (sein Bruder Adolf bleibt verschollen), am 16. Oktober den Fotografen Wessels auf Wangerooge, vier Tage später Eldert Teerling bei Minsen (Cuxhaven) und schließlich Gustav Schröder – auf der Sandbank „Lütje Hörn“, zwischen Memmert und Borkum. Neun Männer bleiben auf See.

Es wird auf Borkum, Juist und überall an der Küste in dieser Zeit viel gerätselt und gegrübelt. In ganz Deutschland berichten die Zeitungen. Wie konnte das Unglück geschehen – bei leichtem Unwetter und kaum mehr als 500 Meter vom Memmertstrand entfernt? War das Boot überaltert? Warum segelte der erfahrene Steuermann überhaupt außen herum, durch das gefährliche Haaks Gat? Peter Smidt, den die jungen Männer kurz vor dem Unglück zu Hause besucht hatten, erzählt in seinem Buch „Das Kreuz von Memmert“, dass beim Turnerball just in jenem Moment das elektrische Licht ausgegangen war, als in der Gaststube die Uhr zur Mitternacht schlug. War das Zufall? Ein böses Omen?

Noch im Dezember 1931 wird das Unglück vor dem Seeamt in Emden verhandelt. Die vier Überlebenden berichten zum wiederholten Mal, der Leiter des Borkumer Wasserbauamtes gibt seine Einschätzung als Sachverständiger und Reichskommissar und Vizeadmiral a.D. Kahlert aus Emden lobt die vorbildliche Haltung der jungen Männer in jener Nacht. Dann wird die Akte geschlossen. Der verantwortliche Bootsführer ist tot, wer also sollte belangt werden?

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„Denke an den Tod!, Annemarie´ - Unglück 21. September 1931“ ist darauf zu lesen. Jemand dichtet damals: „Sie standen vereint in letzterer Not, in Brechern und grausigen Seen. Fünfzehn Jungen, gefordert vom nassen Tod, haben Borkum nicht wieder gesehen.“ Heute befindet sich das schlichte Kreuz von Memmert am Alten Leuchtturm von Borkum, denn die Nordsee und ihre Strömungen haben die Nordwestdünen der Vogelinsel längst überspült. Weil das Meer damals und in Zukunft unberechenbar war, ist und sein wird.

 

24. September 1931 Zeitungs-Presseberichte

Eine Tragödie an der Nordseeküste - 15 Opfer eines Segelbootunglücks

In den Abendstunden des Montags befand sich ein Segelboot des Borkumer Badedirektors Specht mit 18 Personen an Bord auf der Fahrt von Juist nach Borkum.

Das Segelboot muss infolge des stürmischen Wetters voll Wasser geschlagen und gekentert sein. Einer der Insassen erreichte am Dienstag, früh gegen 4.30 Uhr, die zwischen Borkum und Juist gelegene Vogelinsel Memmert schwimmend und erklärte, dass sich noch 5 bis 6 Personen im Boot befänden. Man befürchtet, dass die übrigen zwölf Insassen ertrunken sind. Bei den Insassen des Bootes handelt es sich um jugendliche Mitglieder des Turnvereins Borkum.

Das Boot ist südlich von Memmert aufgelaufen und voll Wasser geschlagen. Um 7.30 Uhr lief das Rettungsboot der Insel Borkum aus, um zu versuchen, Personen, die etwa noch aus dem Wasser treiben sollten, zu retten. Bisher sind mit Sicherheit zwei Personen gerettet. Der eine von ihnen, der nach Memmert schwamm, heißt Heinz Bakker. Ein zweiter der Schiffbrüchigen wurde von einem vorüberfahrenden Fischer gerettet und nach der Insel Juist gebracht. In dem Boot befand sich auch der Borkumer Badedirektor, der ebenfalls noch vermisst wird.

Wie jetzt mit Sicherheit festzustehen scheint, hat das Segelbootsunglück fünfzehn Todesopfer gefordert. Drei Personen sind gerettet worden. Das Borkumer Rettungsboot und das Marinestationsboot, die sich an den Rettungsarbeiten beteiligten, sind mit den Geretteten nach Borkum zurückgekehrt. An der Suche nach den Vermissten beteiligte sich auch ein Flugzeug aus Norderney. Die Hoffnung, dass von den Vermissten 14 Personen noch jemand gerettet wird, ist aufgegeben worden.

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Quellennachweis: Erarbeitet durch Schönbeck-Borkum | Borkumer Zeitung 19.09.2006 | von Silke Arends-Vernholz | Das Buch „Kreuz von Memmert“ von Peter Smidt ist im Verlag Alt Juist (ISBN 3-937767-13-4) zu beziehen.

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