7 v. Chr. - 1993
Geschichte dokumentiert sich in Monumenten, in Baudenkmälern. Noch die Rudimente der steinernen Zeugen sind Bruchstücke der Zeit selbst. Wir begreifen sie als Geschichtsträger, als Mittel zur schildernden Rekonstruk¬tion; - also in ihrer zeitlichen Dimension.Dort aber wo das Meer Zeuge der Vergangenheit ist, bleibt die Geschichte Dunkel; bleibt sie Geheimnis. Die Fluten, die alle Begrenzungen von Zeit und Raum aufheben, bewahren, aber geben nur wenig preis vorn vergangenen Leben.
Die 2000-jährige Geschichte der Insel Borkum belegen keine Steine. Am Anfang ihrer Geschichte steht das Wort. Das Wort der römischen und griechischen Zeitzeugen: Plinius, Strabo und Tacitus.
Der römische Schriftsteller und Geograph Plinius der Ältere, der 23 bis 79 nach Christus lebte, war im Jahre 47 n. Chr. Kriegsberichterstatter im Feldzug des Corbulus gegen die Chauken.
Als authentischer Augenzeuge berichtet er: "Gesehen haben wir im Norden die Völkerschaften der Chauken, die die größeren und die kleineren heißen. In großartiger Bewegung ergießt sich dort zwei¬mal im Zeitraum eines Tages und einer Nacht das Meer über eine unendliche Fläche und offenbart einen ewigen Streit der Natur in einer Gegend, von der es zweifelhaft ist, ob sie zum Lande oder zum Meer gehört. Dort wohnt ein beklagenswertes Volk auf hohen Erdhügeln, die mit den Händen nach dem Maß der höchsten Flut erreicht sind. In ihren erbauten Hütten gleichen sie See¬fahrern, wenn das Wasser, das sie umgebende Land bedeckt, und Schiffbrüchigen, wenn es zurückgewichen ist und ihre Hütten gleich gestrandeten Schiffen allein dort liegen.
Von ihren Hütten aus machen sie nach dem Zurückweichen des Meeres Jagd auf die zurückgebliebenen Fische.
Ihnen ist es nicht vergönnt, Vieh zu halten, sich von Milch zu ernähren wie ihre Nachbarn, ja nicht einmal mit wilden Tieren zu kämpfen, da jedes Buschwerk fehlt. Aus Schilfgras und Binsen flechten sie Stricke, um Netze für die Fischerei daraus zu machen. Und indem sie den mit den Händen ergriffenen Schlamm mehr im Winde als in der Sonne trocknen, erwär¬men sie ihre Speise und die vom Nordwind erstarrten Glieder durch Erde. Zum Trinken dient ihnen nur Regenwasser, das im Vorhof des Hauses in Gruben gesammelt wird. Und diese Völker sagen, wenn sie heute vom römischen Volk besiegt werden sollten, seien sie dann Knechte. In Wirklichkeit aber ist es bei ihnen so. Das Schicksal schont viele, um sie zu strafen. " Über die friesischen Inseln berichtet Plinius: "Von der Halbinsel Tastris aus sind den Römern 23 Inseln durch den Krieg bekannt geworden. Von ihnen ist die berühmteste die Burcana; die Bohneninsel genannt wird…..“
Als der nordwestlichste Vorposten des freien, unbesetzten Germaniens, war Borkum der Riegel, der jedem Feind den Eingang zu Niederdeutschland versperrte, der zur See eindringen wollte. So war es nicht die Schlacht im Teutoburger Walde, die den römischen Eroberungsgelüsten einen endgültigen Schlusspunkt gesetzt. Der Plan einer Unterwerfung Westgermaniens wurde erst nach dem Untergang einer gewaltigen Römerflotte vor Borkum im Jahre 16 nach Chr. Geburt aufgegeben.
Bericht des griechischen Geographen und Schriftstellers Strabo (63 v. Chr. bis 20 n. Chr.) über die Züge des älteren Drusus (12 bis 9 vor Chr.): "Zwischen Saale und Rhein fand Drusus Germanicus nach glücklichen Kriegszügen sein Ende. Er überwältigte aber nicht nur die meisten Völkerschaften, sondern auch die Inseln, an denen man vorbeifahren musste. Unter diesen war auch Byrchanis, das er nach einer Belagerung eroberte."
Die kriegerischen Erfolge des älteren Drusus in Inner¬deutschland wurden durch die Niederlage im Teutoburger Walde unbedeutend. Dennoch hielten die Römer durch Bestechung und mit ihrer Flotte die Anwohner der Nordseeküste in Abhän¬gigkeit. Als dann im Jahre 15 n. Chr. der jüngere Drusus seine Kriegszüge aufnahm, um den Untergang des Varus und der römischen Legionen zu rächen, war die Ems wiederum das Einfallstor nach Germanien. Borkum bot diesmal kein Hindernis. Die Chauken versprachen Hilfe und wurden sogar in den Heeresverband aufge¬nommen.Im folgenden Jahr sollte der Haupt¬schlag gegen Ger¬manien geführt werden.
Tacitus berichtet von den Umfangreichen Vorberei¬tungen auf diesen Feldzug und auch vom Untergang der gewaltigen Römerflotte vor Borkum im Herbst des Jahres 16 nach Chr.:" ... Anfangs rauschte das Meer vom Ruderschlag der tausend Schiffe und man fuhr unter Segel. Bald aber ballte sich schwarzes Gewölk zusammen und schüttete Hagel aus. Zugleich brachen rings von allen Seiten Regenböen los und nahmen bei den unsicheren Meerestiefen die Sicht, hinderten die Steuerung hierauf kam der Wolkenzug und zumal das ganze Meer in des Südwindes Gewalt. Dieser packte die Schiffe, warf sie auseinander in die offene Nordsee oder nach den Inseln hin. Nun konnte man nicht vor Anker liegen, nicht die eindringenden Fluten ausschöpfen. Pferde, Zugtiere, Gepäckstücke, sogar Waffen wurden über Bord geworfen. Hierdurch wollte man die Schiffe erleichtern, die an den Seiten leck ge¬worden und in die von oben her die Wogen hineinschlugen.
Vernichtend war jene Niederlage, da sie in dem Umfange noch nie dagewesen. Ein Teil der Schiffe wurde vom Meer verschlungen, mehrere strandeten an weit entlegenen Inseln. Die Soldaten wurden dort bei dem Fehlen jeglicher Kultur vom Hunger dahingerafft, ausgenommen die, welche von dort angetriebenen toten Pferden gelebt hatten. Nur der Germanicus Dreiruderlandete im Chaukenlande. Er hatte sich alle jene Tage und Nächte hindurch als den Schuldigen an diesem ungeheurem Misserfolg angeklagt. Kaum konnten ihn seine Kameraden daran hindern, dass er in demselben Meere den Tod suchte."
Dieser Fehlschlag war auslösend für die Abberufung des unglücklichen Feldherren. Nun gab Rom endgültig den Plan einer Unterwerfung Niederdeutschlands auf.
Damit versinkt Borkum für ein Jahrtausend in geschichtliches Dunkel..
Der Grieche Strabo nennt die große Insel in der Emsmündung "Burchanis". Für die römische Geschichtsschreibung erwähnt Plinius 23 Inseln und eine große, die er "Burchana Fabria" nennt.
Borkum, als jetzige Namensträgerin der einstmals mächtigen Großinsel "Burchana" war zu Beginn unserer Zeitrechnung und noch um 800 n. Chr. der größte Bestandteil dieser Insel. Zu Karl d. Großen Zeit und auch noch um 1100 ist der Name der Insel: Bant.
In der Urkunde vom 11. September 1398 (Widzelt, Sohn des Ocko tom Brok) wird die Insel Borkun genannt. In gleicher Schreibweise erscheint Borkum in der Urkunde vom November 1406, mit der der Herzog von Bayern den Lehnsleuten und Gemeinden auf den Eilanden, darunter auch "Borkyn" seinen Friedensschluss mit der Hanse mitteilt. (1379 Borkinna, 1398 und 1406 Borkyn (friesisch). Auf einer handschriftlichen, holländischen Seekarte aus dem Jahre 1462 erscheint erstmalig der Name Borcum, 1522 in gleicher Schreibweise auf einer gedruckten Karte).
Im 9. und 10. Jahrhundert reißt die Osterems diese große Insel in zwei Teile, in ein kleineres westliches und ein größeres östliches Bant und bildet mit ihrer Strömung eine weitere Einbuchtung in das Festland - die Leybucht. - Das östliche Bant wird 1470 mit einer Flächengröße von 17 km² aktenkundig erwähnt. Es besitzt zeitweise sieben Salzsiedereien und geht 1743 als Sandbank unter. Vom westlichen Bant hören wir nichts. Das Auftreten der einzelnen Inselnamen setzt die Zerstückelung der Großinsel Bant voraus. Über den Zeitpunkt der Zerstörung fehlen aber nähere Nachrichten. Nach den vorgenannten Urkunden wäre sie in die Zeit zwischen 1100 und 1398 zu legen.
Während dieses Zeitraumes hat es eine Reihe von Sturmfluten in diesem Teil der Nordsee gegeben. Die Häufigkeit dieser Naturkatastrophen zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert lassen vermuten, dass die Ursache dafür in astronomischen Konstellationen zu suchen sind. Trotz der Zerstörungen muss die Insel Borkum noch große und geschützte Hellerflächen gehabt haben. Der ältesten Designation zufolge, die der Vogt von Lheer (Leer) dem Grafen Enno III. im November 1606 einsandte, teilte man damals die Bewohner der Insel in "Altbauern" und "Neubauern" (wobei die ersteren 17 Haushaltungen ausmachten die letzteren 25). Zur Sicherung und Bewahrung der verschiedenen Rechte der Haushaltungen waren Inselvogte eingesetzt, die demzufolge ständig in die dauernden Auseinandersetzungen der Inselbewohner einbezogen waren.
Plinius berichtet von der schweren "Cimbrischen Flut" im Jahre 57 /58 n. Chr. - . 3.Nov.1170 Allerheiligen-Flut, Johannisflut 17.2.1164, Marcellusflut am 16.1.1219, Lucasflut 14. 12. 1287, Clemensflut 23. 11. 1334, die "Manndränke", zweite schwere Marcellusflut am 16. 1. 1362 (diese Flut soll die Insel Bant ganz in Stücke gerissen haben), Cosmas - und Damionsflut vom 26. 9. 1509. Teilung der Insel durch die Sturmfluten.
In der Zeit nach Plinius und Strabo ruhen ... abgesehen von allgemeinen geschichtlichen Darlegungen sämtliche Nachrichten über den Zustand und die Entwicklung des Küstengebietes bis zum Mittelalter.
Erst zu Beginn der Caroliner Herrschaft werden die ostfriesischen Inseln und die Küste wieder erwähnt. Die Großinsel Bant gehörte zum Bistum Münster. Bant umfasste nach der Überlieferung Borkum, Juist, Buise und Osterende, den Westteil des heutigen Norderney. Laut Urkunde überträgt Kaiser Karl im Jahre 784 die Rechte der Verkündigung des christlichen Glaubens dem Bischof Luidger über den Gau "Federitje "und die "Insula Bant". Im Fuldaer Kloster findet man in den Akten der Enno und Menno vom Witte Hinweise: ,, ... dass der Bischof der Friesen, Luidger, bei tiefer Ebbe auf einem Pferde zu seinen Gläubigen auf Bant geritten sei" und ein anderes mal hört man davon, ... daß die Gläubigen auf Bant dem Fuldaer Kloster Ländereien geschenkt hätten. " Aus den Fuldaer Kloster Quellen: Im Jahre 1227 sammelte sich bei Borkna eine Kreuzfahrerflotte zur Fahrt ins Heilige Land. 1270 lag eine Kreuzfahrerflotte vier Wochen vor Borkana wegen schlechten Wetters.
Am 11. September 1398 übertragen Widzelt, der Sohn des Häuptlings Ocko tom Brok und Folkmar Allena ihr Besitztum dem Herzog von Bayern und erhalten es als Erblehen zurück. Zur Zeit der Häuptlingsherrschaft um 1400 wurden die Gewässer um Borkum durch raubende "Viktualienbrüder" unsicher gemacht. Im schwedisch-dänischen Krieg 1389 -1395 hatten es rauhbeinige Fahrensleute von Wismar und Rostock aus übernommen, das belagerte Stockholm mit Lebensmitteln zu versorgen. Sie nannten sich daher "Viktualienbrüder". Ab 1395 wurden sie Seeräuber und fanden unter der späteren Bezeichnung "Likedeeler" (von : gleichmäßig die Beute verteilend) in ostfriesischen Häfen Unterschlupf, u. a. bei Witzelt und dem ihm nachfolgenden Halbbruder Keno tom Brok, der seine Tochter dem berühmtesten Likedeeleradmiral Störtebeker zur Frau gegeben hatte, sowie dem Probst Hisko von Larrelt in Emden. Im Frühjahr 1400 rüsteten die Hanseaten gegen die Corsaren. Einige Seeräuberschiffe mit 116 Mann Besatzung wurden am 22. April 1400 auf der Osterems aufgebracht. Die Seeräuber entweder ertränkt oder im Kampf getötet. 25 von ihnen wurden gefangen genommen und am 11. Mai 1400 vor dem Herrentor in Emden hingerichtet.
Die restliche Freibeuterflotte mit den Hauptanführern Michael Gödeke und Klaus Störtebeker wurden vor Helgoland geschlagen und 1402 in Hamburg hingerichtet.
'Die Legende erzählt, Klaus Störtebeker habe einen Teil der geraubten Schätze in den Woldedünen auf Borkum vergraben lassen. Die vom Papsttum abfall enden und sich mit Waffengewalt gegen den spanischen König Philipp II wehrenden Niederländer wurden "GEUSEN" genannt Diese Freibeuter, die "Wassergeusen", kämpften gegen den spanischen Stadthalter Herzog Alba und erkoren sich ebenfalls Borkum zum Stützpunkt. Ihre Anführer waren Jan Abels van Dokkum und Lancelot von Brederode. Auch eine Reihe von Borkumern waren ihnen als gute Kenner des Seegebietes nützlich und erwarben sich als Lotsen ihren Anteil an der Beute.
Gott schuf das Meer, der Friese die Küste
Der Geologe Karl Heinz Sinowski schreibt, dass sich unter dem westlichen Bant große Sandbänke befänden und zwei größere Sandrücken sich vom Südosten nach Nordwesten unter dem Festlandboden entlang zögen. Diese westliche Halbinsel fängt an zu sinken, die Menschen müssen sich nach dem Festland absetzen, und der Sand, den das Meer bisher vor die alte Insel schob, wird mit dem Sinken auf die beiden Sandrücken geschoben und es entsteht eine fortlaufende Sanderhöhung. Die Insel Borkum wird als Sandauflagerung auf dem alten diluvialen Boden geboren. Die Dünen entstehen und werden von der Sandquäke, dem Sandhafer und anderen Salzpflanzen bewachsen. Lange Jahrzehnte wird es gedauert haben bis sich ein Westland und ein Ostland als wirkliche neue Inseln bildeten.
....... Zwischen den beiden Höhen hat sich das "Tüskendör" auf schwächerem Untergrund entwickelt. Bereits im Jahre 1574 war eine "Rolle" für Borkum erlassen worden. Da diese aber, wie es scheint, nicht ausreichend war, so wurde 1628 Nachstehende ausgearbeitet und publiziert:(Dünenschutz im Jahre 1628)" ... Alle Einwohner auf Borkum sollen dem alten Gebrauch und Herkommen gemäß ihre Kühe auf der alten Melkstätten melken und darauf bedacht sein, dass die Dünen sogar ungebührlich und jämmerlich nicht zertreten, sondern in Ehren erhalten und der Hirt die Kühe desto bequemer und füglicher weiden kann bei Poen von 20 Goldgulden. . . . damit auch das Wild und die Kanine nicht gänzlich verderbt und ausgetilgt, sondern vielmehr fortgepflanzt werden, so soll sich ein Jeder des Jagens und Fangens der Kanine bei Tag und bei Nacht oder auf Weise und Masse, wie solches erdacht werden kann, gänzlich enthalten, bei Strafe. Jeder von 10 Goldgulden oder J. Gn. Arbitralstrafe.
... Weil auch durch vielfältiges und überflüssiges Abmähen der Helmer das Eiland merklich verdorben wird, so ordnen J. Gn. setzen und wollen, dass sich forthin Jedermann solchen Abmähens gänzlich und bei Vermeidung J. Gn. höchsten Urignad enthalten und der Vogt und Auskündiger eine besondere fleißige Aufsicht haben und die Verbrecher jederzeit angeben soll, damit dieselben zu gebührender Strafe gezogen werden." Bericht des Ingenieurs Folckardt Grave an die Ständeversammlung auf dem Landtag zu Aurich 6. Juli 1650." ..... dies Eiland, welches sonsten neben anderen dieser Grafschaft eine Brustwehr ist….."
Bericht des Ingenieurs Folckart Grave aus den Landtagsakten, die im Emdener Stadtarchiv lagern: " ..... Dahero fast sehr zu besorgen, .dass woferne dem wütenden Meere der rigell nitt baldt verleggt wirdt, dieß Eylandt (welches sonsten neben anderem dießer Graffschafft eine brustwehr ist) von dem continue hefftig darauf! antringenden wellen weitterß abgeschlagen, weg gespühlett, Ja wol gahr zu einem mahle untergehen sollte. Undt wan von E. E. Wolgeborenen Woledel Gestrengen Ehrenvesten . Hoch und Wolgebornen, hoch und wolgelehrten, hoch und wolw. Euerachtbaren Herr und Graf ob dieser Beschreibung klahr undt heiter zu vernehmen, waß für einen Zumahll gefährlichen undt betrübten Zustand eß habe mitt dem Eylande Borckumb; ... " Die Mittel zur Erhaltung, Verstärkung und Wiedergewinnung von Dünen waren unzulänglich. Mit besserer Aufsicht, größter Sorgfalt und wirkungsvolleren Methoden werden diese Arbeiten erst nach 17 44 unter preußischer Verwaltung wahrgenommen.
Strandgut war ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Borkumer. Der Besitz des Strandgutes war mitbestimmend für die Kontinuität der Besiedelung. Die gefährlichen Riffe vor Borkum sorgten dafür, dass dieser "Existenzzweig" lukrativ blieb. Das Strandgut gehörte zur Existenzgrundlage der Insulaner. So waren die Unterschiede zwischen Seehandel, Seeraub und Strandgut fließend. Per Dekret wurde von der Obrigkeit, also den Eigentümern, eine Regelung für das Strandgut getroffen, die besagte, dass ein Drittel des geborgenen Gutes abzugeben war. Diese Strandgutordnung ist aber von den Insulanern trotz desDrucks durch die Vögte kaum befolgt worden. Ackerbau, Viehzucht, Fischfang, Seehandel, Seeraub, Strandgut und "Schillgraben" (Muschelgraben) für Baukalk waren die Wirtschaftszweige. Auch das friesische Salz war ein wichtiger Handelsartikel. (Salzsiedereien gab es auf Bant, bis 1650. Die friesische Art der Salzgewinnung: Auslaugen der Asche des Seetorfs). Schill war im festländischen Raum der einzige Rohstoff für Baukalk. Die Arbeit war mühselig und zeitraubend, da man nur bei Niedrigwasser graben konnte. Die Schillgewinnung muss erheblich gewesen sein, z. B. 1627 lieferten Borkumer für den Hof Aurich 905172 Tonnen Schill für 181 Rthlr .. Muscheln waren weniger zu Eßzwecken sondern vielmehr - wie auch noch im 18. Jahrh. - auf den damals entstehenden Fehnen in Ostfriesland und in den Niederlanden zur Entsäuerung und Düngung der Moore gesucht.
Beim Fischen steht der Schollenfang an erster Stelle. 1633 wurden 4500 Schollen an den Auricher Hof verkauft. Daneben wurden mit Netzen Schellfisch, Rochen, Hering und Stindt gefangen, Robben auf den Sandbänken gejagt. Die Lastseeschiffahrt nahm zu. Die Wattschiffe übernahmen die Frachtfahrten und beförderten auch Passagiere zwischen Insel und Festland - auch nach Holstein und Holland.
Gegen Ende des 17. Jh. hatte sich Borkums Erwerbslage gegenüber der von Anfang des Jahrhunderts grundlegend verändert. Stand damals die Landwirtschaft an erster Stelle vor der Seefahrt, so kehrten sich die Verhältnisse jetzt um. Im 17. Jh. hatte sich noch eine neue Wirtschaftsart entwickelt:
Der Walfang Er trat in dieser Zeit mindestens gleichberechtigt als Erwerbsquelle auf. Da der Walfang nur im Sommer ausgeübt werden konnte, kehrten die Männer im Winter zu ihren Familien zurück. Nach dem Ende des Walfischfangs waren die Insulaner wieder auf den kleinen Wirtschaftsraum ihres Eilandes zurückgeworfen. Der Walfang hatte bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den arktischen Gewässern begonnen. Auf deutscher Seite wurden die ersten Fangschiffe 1643 in Emden ausgerüstet. Die Borkumer hatten große Erfahrung in Fischfang und Seefahrt. Sie heuerten auf Emder, Hamburger und holländischen Walfangschiffen an und fuhren zum großen Teil als Kommandeure und Harpuniere.
Insbesondere nach dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) nahm der Walfang an Umfang noch stark zu. Aus fast jeder Borkumer Familie war in dieser Zeit mindestens ein Mitglied auf. Walfang. Noch heute zeugen die Zäune aus Walkinnladen auf Borkum von dieser Zeit. Die Fangergebnisse wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jh. geringer, und die Fahrten endeten auf holländischer Seite mit Ausbruch des holländisch - englischen Seekrieges 1780 völlig. Diese wirtschaftliche Glanzzeit Borkums hatte jedoch eine Kehrseite. Das Meer hatte unter den seefahrenden Insulanern zahlreiche Opfer gefordert. 1734 beispielsweise waren von 154 Frauen der Insel 44 Witwen. Zusammen mit den Waisen fielen sie der Armenkasse und damit den anderen Familien zur Last. 1811 wurde die Insel von einer französischen Truppe besetzt. 1828 wurde die hochdeutsche Sprache als Amtssprache anstelle der holländischen Sprache auf der Insel eingeführt.
Seit Beginn der Reformation (auf Borkum Mitte des 16. Jahrhunderts) ist die Geschichte der Inselkirche in den Annalen belegt. 1554 wird der erste reformierte Geistliche, Pastor Galtet Aggen aus Norden, erwähnt und anno 1576 beschließt der Magistrat der Stadt Emden, den neben der Kirche stehenden Turm zu erhöhen. Allerdings zollten die verantwortlichen Stadtväter damit nicht der Kirche Tribut, sondern griffen in das Stadtsäcklein zugunsten eigener merkantiler Interessen. Der schwungvolle Seehandel brachte den Emdener Kaufleuten Wohlstand und Reichtum. Da die Besegelung der Ems äußerst schwierig war benötigte man, um den Handel auszuweiten, verbesserte Orientierungshilfen für die Schiffe. Mit der Erhöhung des Borkumer Kirchturms wurde ein weit sichtbares Zeichen zur besseren Aussteuerung der gefährlichen Emsmündung gesetzt. Der Borkumer Kirchturm fungierte nun gleichzeitig als Seezeichen. Vermutlich wird er diesem weltlichen Zweck auch schon vorher gedient haben.
Da es über die frühe Zeit der Christianisierung keine Aufzeichnungen gibt, lässt sich die Geschichte des Gotteshauses und des Turmes nur aus den Erkenntnissen der späteren Grabungen rekonstruieren. Die dabei freigelegten Fundamente bestehen schon aus Ziegel, einem Baumaterial, das nach 1200 durch die Zisterzienser Mönche auch in Friesland Verbreitung fand. Nach diesen Untersuchungen datiert man die erste Kirche auf Borkum Ende des 13. - Anfang des 14. Jahrhunderts. Die Sturmfluten, die die Altinsel Bant zerstörten, schliffen wahrscheinlich auch diesen frühen Back¬steinbau und ließen nur Reste des .alten Fundaments übrig.
Um 1450 ließen die Patronatsherren aus Greetsiel, die Cirksenas, eine neue Kirche errichten; allerdings mit kleinerem Turm, der dennoch den Segelschiffen als Peilpunkt diente. Für diesen Bau verwendete man zum Teil die alten, erhalten gebliebenen Ziegel. Im "Trifolium aureum", dem alten Stadtbuch von Emden, ist der dritte Kirchenneubau (1606) dargestellt. Ein schlichter Einwürfelbau, der wohl zunächst den Bedürfnissen der kleinen Inselgemeinde genügte. 1683 wird unter Pastor Rudolf van Tellinghusen das Kirchenschiff um das Doppelte ausgebaut. 1720 wird die Kirche um den Nordtrakt erweitert. Diese "Walfängerkirche" mit dem typischen Doppelwalmdach wird sichtbares Zeichen für die Blütezeit Borkums. Aufstieg, Blüte und Verfall, die wechselvolle Geschichte der Insel dokumentieren auch die Kirchen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kommt der Walfischfang zum Erliegen. Für Borkum beginnt die Zeit schwerster wirtschaftlicher Not. Die prächtige Walfängerkirche verfällt. Mit Kollekten und einem Zuschuss von 1060 Reichstalern des Königs von Preußen wird die letzte der Kirchen, die "Strandungskirche" erbaut. Sie erhält ihren Namen, weil ein Teil des Geldes aus dem Strandungserlös der vor Borkum zerschellten "Mevrouv Magdalena" stammt.
Der Turm, der ungeschützt den Einflüssen der Witterung ausgesetzt war und nach 200 Jahren einzustürzen drohte, wurde im Jahr 1780 mit erheblichen Mitteln repariert. Die mit Schiefer gedeckte Turmspitze wurde 1817 abgetragen, auf der Plattform eine Kuppelkonstruktion auf gebaut, in der hinter 27 Fenstern eine gleiche Anzahl Argandscher, ölbetriebener Lampen aufgereiht war. Das Licht strahlte, durch Parabolspiegel verstärkt, auf die See. Bis 1857 hat der alte Turm eine Doppelfunktion als Leucht- und Glockenturm. 1857 ersetzt man die Parabolspiegel durch Fresnel-Linsen. Die Lampen werden in ihrer verbesserten Form ebenfalls mit Rüböl betrieben. Die großen Ölvorräte (40 Zentner) im Keller des Turms waren letztlich verantwortlich für das völlige Ausbrennen des Turm nach einem zunächst leichten Dachbrand am 14. Februar 1879. Der neue Leuchtturm wurde bereits im selben-Jahr 1879 gebaut. Trotzdem entschloss sich die Regierung, auch den alten Turm wieder instand zu setzen. Als Leuchtturm hatte er zwar ausgedient, als rüstiger Veteran jedoch konnte man ihm -noch andere Aufgaben zuteilen. Nacheinander beherbergte er wissenschaftliche Messgeräte für das Hydrographische Amt des Preußischen Marineministeriums, die Deutsche Seewarte in Hamburg, wurde später als militärischer Beobachtungsturm und als Lagerstätte für Infanteriemunition genutzt.
Zuletzt diente er u.a. der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger als Seenotfunkstelle, bis ihn 1982 der Heimatverein Borkum erwarb und der Turm seitdem Einwohnern und Gästen als Wahrzeichen und ältestes Bauwerk der Insel ans Herz gewachsen ist.
Die einzig sichtbare Hinterlassenschaft der römischen Besatzungszeit fand der Borkumer Pastor Nicolai im Jahre 1798: "Das eben sich diese Insel gegen Westen, seewärts hin, sehr weit ausgebreitet habe, zu dieser Vermutung fand ich im Jahre 1789 Grund, als nach einem heftigen Sturm westnordwestwärts vom Borkumer Turm folgende Überreste des Altertums auf einer hohen Außensandbank sich zeigten. Wo vorhin nichts als Sand zu sehen gewesen war, sah ich nebst dem Schulmeister der Insel ein ausgebreitetes Feld besten Kleibodens. Zunächst erblickten wir neun Brunnen auf einem ziemlichen Abstand voneinander. Ferner fanden wir gegen Westen, einen großen; runden Platz, neunzig Fuß , im Durchschnitt, welcher aus einer doppelten Reihe sehr zierlich geschnittenen Rasens, künstlich zusammengefügt war. An der östlichen Seite dieses runden Platzes fand sich abermals ein Brunnen, eben-falls aus Klei-Rasen aufgesetzt. Sowohl inner-halb als auch außerhalb diesem grünen Rasen - Kreise fanden sich viele Stücke von zerbrochenen Urnen.
Ich vermutete augenblicklich, dass hier ein Tempel gestanden habe. In dieser Vermutung wurde ich bestärkt, teils durch ausgebreitete Baumwurzeln, die in einigem Abstand von dem grünen Platze im Boden ausgebreitet deutlich zu erkennen waren, besonders aber durch eine große Menge Knochen von Schafen, insbesondere aber von Schafsköpfen, die nicht weit ostwärts von dem runden Platz- aufeinander gehäuft lagen. Ich dachte, diese Tiere sind hier geopfert, und die Nähe des Brunnen hat dazu gedient, den Altar von dem Blute zu reinigen. An einem anderen Ort, ebenfalls nicht weit von dem mehr erwähnten runden Platze, fanden wir einen großen Haufen altes Eisen, große Nägel und grobe Stücke, die noch einige Festigkeit hatten und sich nicht, wie das bei den Stäben an den Tonnen-Brunnen der Fall war, zusammen drücken und zerreiben ließen. Warum aber dieses alte Eisen, dessen rostige Farbe sich selbst dem Erdbo4en mitgeteilt hatte und das nur Stücke von eine Wrack zu sein schien sich hier bei einem Götzentempel fanden? Dies konnte ich mir nicht anders erklären, als dass dieses in späteren Zeiten hinzugekommen sein mag. Als wir diese merkwürdige Gegend näher unter-suchten, fanden wir in einiger Entfernung noch zwei kleine, runde Rasenplätze, vollkommen zirkelrund. Jeder derselben enthielt reichlich vierzig Fuß im Durchschnitt und seitwärts von denselben ab nach Norden hin, entdeckten, wir einen langen Graben, etwas weniger als fünfzig Fuß breit, an beiden Seiten, in gerader Linie mit einer doppelten Reihe, im länglichen Viereck, geschnittener Rasen aufgesetzt. Wir zweifelten nicht, dass dies ein Graben gewesen sein müsste; da die Menge abgebrochener Stämme, Wasserpflanzen und Blätter von solchen Pflanzen sich noch so deutlich zeigten, dass wir dieserhalb diesen, obgleich jetzt ganz festen Boden, anfänglich mit einiger Umsicht betraten aus Furcht, wir mögen einsinken. Endlich trafen wir, westwärts nach der Seeseite hin ein großes, sehr fleißig gepflügtes Feld. Hier dachte ich, ist das Rätsel der Gelehrten aufgelöst, weshalb Borkum das Bohnenland genannt zu werden pflegte? Ich bewunderte, dass die Alten schon vor mehr als hundert Jahren schon so gut zu pflügen verstanden hatten. Die Furchen lagen nett geschlossen aufeinander, doch entdeckte ich keine Äcker. Vielleicht mag dieser Klei-Boden unsern gegenwärtigen Poldern ähnlich. gewesen sein, die das Regenwasser gleich einem Siebe, durchlassen, so dass man sich um die Abwässerung nicht bekümmern darf"
Einen Beweis für die Ausführungen des Pastor Nicolai fanden aufmerksame Spaziergänger im Jahre 1983. Ein heftiger Nord-West-Sturm legte kurzzeitig Brunnenreste, Keramikteile und ausgedehnte ehemalige Kulturböden frei. Erstmalig gelang es, Besiedlungsreste aus einer Zeit zu finden, für die es bisher außer Dokumenten keinerlei Belege gab.
Bereits 1835 waren einzelne Urlauber zur Insel gekommen. Während sich die Insulaner zunächst nur zögernd der neuen Einnahmequelle zuwandten, wurden die Möglichkeiten eines neuen Erwerbszweiges durch den 1838 zuziehenden Arzt Dr. Ripking erkannt. Er richtete vom Juli 1844 an eine Art Verkehrsverein ein, indem er die Vermietungen vermittelte. Die Geschichte des Meeresheilbades Borkum beginnt dann 1846 mit einer Anzeige in der "Ost-friesischen Zeitung", in der Dr. Ripking an-kündigte, dass er während der Badesaison in seinem Hause auf der Insel für drei Taler wöchentlich kränkliche Knaben aufnimmt. Er sorgte auch für die ersten Badeeinrichtungen. Zunächst mieteten sich die meisten Besucher bei den Insulanern privat ein. Dann aber wuchsen eine ganze Reihe von großen Hotels und Pensionen, die immer größere Mengen von Gästen beherbergten. So konnte man schon 1846 rund 300 Kurgäste aufweisen, obwohl nur alle 14 Tage ein Fährschiff von Emden nach Borkum fuhr. Die neue Erwerbsquelle erwies sich schon von Beginn an als sehr Konjunktur- und verkehrsempfindlich. In den Revolutionsjahren 1848 und1849 kamen nur je ca. 100 Kurgäste nach Borkum. Es waren Emder Beamte, die mit ihren Familien die Amtsferien auf "der schönen Nachbarinsel" verbrachten und damit den Aufstieg Borkums zu einem Badeort einleiteten. Der Aufenthalt auf der Insel war billig, die Kost einfach und es mussten keine größeren Maßnahmen für die Garderobe unternommen werden, so dass die Beliebtheit Borkums als Badeort immer weiter anstieg. Es blieb jedoch nicht bei den Besuchern aus Emden, und so wurde bereits im Jahre 1861 eine Badekommission eingesetzt, die die Entwicklung Borkums zu einem Badeort gezielt steuerte.
Nach Dr. Ripking bemühte sich der Feldchirurg Rohde um die Ausweitung des Badelebens. 1850 heißt es in der Ostfriesischen Zeitung: "In Borkum lebt man für wenig Geld gut und ungeniert. Hier fühlt man den Druck der sogenannten Etikette nicht. Hier kleidet sich ein jeder, wie es ihm beliebt. Hier haben Nachtmütze, Schlafrock und Pantoffeln mit Hut, Frack und Stiefeln gleichen Wert. Hier gilt, gottlob, ein nicht geschorener Bart dem glattrasierten Kinn völlig gleich." Im gleichen Jahr erschien die erste offizielle Kurliste. Sie wies 250 Besucher aus.
Mit dem Bau der Westbahn von Rheine nach Emden 1856 steigerte sich die Gästefrequenz erheblich ..... Nur alle 14 Tage kamen Schiffe aus Emden oder Greetsiel. So war 1857 die Versorgung der Gäste noch sehr schwierig. Kochtopf und Löffel waren mitzubringen. Die ersten Gäste suchten auf Borkum vor allem Ruhe. Die Badeverwaltung sah keine Veranlassung, eine Musikkapelle zu engagieren. Noch um 1900 heißt es: "Übertriebenen Luxus und weltstädtisches Treiben gibt es hier nicht. Ungezwungenheit im geselligen Verkehr, Unterhaltung und Vergnügen in Einfachheit und ohne Aufdringlichkeit, vor allem aber Ruhe und Erholung. Das sind die Vorzüge des Borkumer Badelebens. " Wenige Jahre später allerdings gibt es nicht nur eine Kurkapelle sondern auch ein Kurtheater. Im Jahre 1891 fanden bei einer Einwohnerzahl von 1350 Insulanern bereits 3600 Gäste gleichzeitig auf Borkum "bequemes Unterkommen". Für eine Stube mit Bett zahlte man zu jener Zeit zwischen 6 und 10 Mark in der Woche. Die volle Pension wurde mit 32 Mark pro Woche angeboten. Ein besonderer Vorzug Borkums, der grünen Insel, lag gegenüber den Konkurrenten in der Tatsache, dass wegen der Kühe auf den Weiden zweimal täglich frische Milch angeboten wurde.
Bereits 1869 wurden mit dem Buhnenbau am Nordweststrand die ersten Strandsicherungsmaßnahmen eingeleitet, so 'dass selbst gewaltige Sturmfluten in den Jahren 1877 und 1881 dem Land nichts anhaben konnten. Seit 1891 gab es Kanalisation; die Straßen wurden gepflastert und 1899 wurde die Kurtaxe eingeführt. Das Gästepotential wuchs und machte den Bau der großen Strandhotels nötig. In dieser Zeit erhielt Borkum das noch heute im wesentlichen erhaltene markante "Strandgesicht". Der Badebetrieb wurde zur damaligen Zeit durch die Flut und die "Wimpel" geregelt. Solange diese Wimpel am Damen- und Herren-Badestrand hochgezogen waren, durften der Damen-Badestrand und die nächste Umgebung nur von Damen betreten werden.
Man badete zur damaligen Zeit aus Badekarren heraus, deren Betreten vom Badepersonal sorgfältig geregelt wurde. Der Aufgerufene konnte sich dann in der Karre entkleiden und diese wurde vom Badepersonal ins Wasser geschoben. Damals hielt man auf strenge Sitten: Der Damen -und Herrenstrand lag voneinander getrennt. Doch schon 1904 wurde das Südbad als Familienbadestrand eingerichtet. Ärzte machten auf den großen Wert der Heilerfolge aufmerksam. Kinderheime wurden gebaut, ein Warmbadehaus mit Zentralheizung eingerichtet. Eine beheizbare Wandelhalle von 200 Metern Länge und der Musikpavillon machten Borkum auch im Winter attraktiv. Borkum wurde nun auch als Winterkurort propagiert. Vor Ausbruch des 1. Weltkrieges stand Borkum mit an der Spitze der deutschen Seebäder Das außerordentlich milde, durch den Golfstrom beeinflusste Klima Borkums leistete erheblich Hilfe beim Wachstum zu einem der größten deutschen Badeorte. Die durchschnittlichen Wintertemperaturen liegen mehrere Grade über dem Gefrierpunkt, im Sommer sind die durchschnittlichen Werte bei 17 - 20° C.
Eines der unerfreulichsten Kapitel der deutschen Geschichte ist auch an Borkum nicht spurlos vorübergegangen und hat vorübergehend auch den Fremdenverkehr beeinflusst. Der Antisemitismus fand um die Jahrhundertwende auf Borkum einige seiner glühendsten Anhänger. Nach dem Abwandern der einzigen jüdischen Bewohner Borkums um 1904 wurde der Begriff der „Borkumer Judenfreiheit" schnell zu einem beliebten Schlagwort. Die Exzesse gegen jüdische Mitbürger und Kurgäste steigerten sich nicht zuletzt durch die Person eines evangelischen Pastors bis hin zu Tätlichkeiten. Nach dem II. Weltkrieg, verlor der Antisemitismus auf Borkum jede Bedeutung. Bis zum Jahr 1950 hatten mehr als eine Million Kurgäste in 100 Jahren die Insel besucht.
Die Reise zur Insel war anfangs höchst beschwerlich. Man fuhr mit Segelbooten, dann mit Raddampfern. Noch gab es nur provisorische Landungsbrücken und im allgemeinen mussten die Reisenden ausgebootet werden. Seit 1879 gab es eine Pferdebahn von der Reede zum Ort, ab 1888 eine Dampflokbahn und 1903 wurde die Borkumer Kleinbahn- und Dampfschifffahrt - AG gegründet, die dann mit einer Kleinbahn den Gast von der Reede in den Ort brachte. Schon 1860 wurde auf Borkum die erste Rettungsstation mit einem Rettungsboot eingerichtet. Bald folgte ein zweites. 1918 verfügte man über das erste Motorrettungsboot. Das 1937 in Dienst gestellte Boot "Hindenburg" kehrte 1940 mit seiner sechsköpfigen Besatzung von einem Einsatz nicht mehr zurück. Heute ist der Seenotrettungskreuzer "Alfried Krupp" jederzeit zum Einsatz bereit.
Nach dem II. Weltkrieg nahm Borkum eine rasante Entwicklung. Im Zuge des allgemeinen Trends zu deutschen Seeheilbädern wuchs Borkum sehr schnell zu einer der größten deutschen Urlaubsinseln mit mehr als 165.000 Gästen pro Saison. Insgesamt 18.000 Betten in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen werden für die ständig größer werdende Gästeschar vorgehalten. Im Laufe der Jahre wurde ein stattliches Kurmittelhaus, ein Kurhaus als Veranstaltungszentrum, ein Meerwasser-Wellen-Hallenbad, Tennisanlagen und ein Kinderspielhaus gebaut, die heute einen großen Teil zur Unterhaltung und Betreuung der vielen Gäste beitragen. Ein Urlaub auf Borkum beginnt noch immer mit einer Seereise, darüber hinaus allerdings erfreut sich der Transfer mit den Flugzeugen der OLT wachsender Beliebtheit. Außerdem ist man auf Borkum auch mit der Zeit gegangen und hat die große Bedrohung der Umwelt durch den Menschen erkannt. Seit langem bereits sind Autos auf Borkum nicht mehr uneingeschränkt zu bewegen, der größte Teil des Inselverkehrs wird mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgewickelt. Eine Reihe weiterer Maßnahmen zum Schutz der Umwelt trugen Borkum den positiven Ruf einer Umwelt-Insel ein. Das Feuerschiff »BORKUMRIFF«, das im Borkumer Schutzhafen liegt, dient unter anderem als National-parkschiff dem Nordseeschutz.
1993 wird Borkum 2000 Jahre alt. 2000 Jahre, das bedeutet, wenn wir eine Generation mit etwa 30 Jahren rechnen, dass weit über 60 Generationen Freude und Leid, Liebe, Hoffnung- und Glauben auf dieser Insel miteinander teilen.
2000 Jahre dokumentierte Geschichte kann nach Professor Dr. Neuhausen in Deutschland außer Borkum alleine die Stadt Bonn nachweisen. Wir Borkumer können stolz darauf sein, bereits in den bedeutenden Epochen der Menschheit, wie der Römerzeit, eine Rolle gespielt zu haben, die den Großen der Geschichtsschreibung wie Tacitus und Plinius der Erwähnung wert waren.
Der Mensch wurzelt in seinen Traditionen, schöpft sein Wertbewußtsein aus seiner Geschichte. Das Leben mit seinen mannigfachen Erscheinungen war wie das Meer, das die Menschen dieser Insel umgibt, in ständiger Bewegung. Tiefgreifende Veränderungen und Strukturreformen, wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten gehören zu den Etappen der Inselgeschichte. Dass man bei dem Versuch der Darstellung einer 2000-jährigen Geschichte selbstverständlich auf Grenzen stößt, versteht sich von selbst. Freuen wir uns gemeinsam über 2000 Jahre Verbundenheit, die in so langer Vergangenheit zu einer sehr engen Bindung führte.
Diese Broschüre soll dazu beitragen, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl zu vertiefen. Sie soll aber auch und vor allem das Interesse der Insulaner an der Geschichte unserer schönen Heimatinsel wecken. Vielleicht werden auch die Borkumgäste ihr Urlaubsdomizil dadurch mit anderen Augen sehen und bei ihren Spaziergängen gern auf historischen Spuren wandeln. Es wäre schön, wenn die Broschüre auch dazu anregen könnte, das Borkumer Heimatmuseum zu besuchen, das einen umfassenden Eindruck über unsere jüngere Geschichte vermittelt. Zum 2000-jährigen Geburtstag Borkums grüßen wir alle Borkumer, deren Freunde und alle Gäste von nah und fern.
Gerhard/Müller - Stadtdifektor |
Gisela Schütze - Bürgermeisterin |
Horst Dettmann - Kurdirektor |