SOS – Rettet unsere Seelen
Die Rettungsstation der DGzRS Borkum ist eine der ältesten an der deutschen Nordseeküste und einer der Erfolgreichsten.
Als um 1830 unsere ersten Gäste kamen
DGzRS - Station Borkum
Als um 1830 unsere ersten Gäste kamen, leuchtete auf unserer Insel nur das Öllampenlicht des Alten Leuchtturms etwa 6 bis 8 Kilometer weit über das Wasser und gab den schiffen nur ein kümmerliches Sichtzeichen, während am Tage der Turm in Verbindung mit den Kapen auf den Dünen (Seezeichen) den Schiffen durch Deckungspeilung die Einfahrten in die Wester- und Osterems anzeigte. Vor und um unsere Insel befand sich aber und befindet sich auch heute noch das Wattenmeer und das seichte Küstengebiet mit den Sandriffen, seinen Sandbänken und Untiefen. Und für jeden Schiffer und für jedes Schiff ist das Befahren dieser Einmündung in die EMS schon zu allen Zeiten eine nicht ungefährliche Angelegenheit. Vor allen Dingen häuften sich in der damaligen Zeit diese gefahren bei Nebel und bei orkanartigen Stürmen. Es kam zu vielen Schiffshavarien. Dann geschah es oftmals, dass Schiffe strandeten, dass sie auf die Sandbänke geworfen wurden und dass ihre Mannschaften elendig ertranken. So ist das „Borkum Riff“ – die große Sandbank im Nordwesten unserer Insel – zu einem großen Seemannsgrab geworden, auf dem weit über 100 Schiffe versandet liegen.
(Borkum Riff – 10 Kilometer langgezogene Sandbank nordwestlich von Borkum aus – entlang des Emsdeltas – Westerems – bis in die Nordsee)
Waren dies Schiffskatastrophen in der Nähe der Insel und sahen die Insulaner von den Dünen und vom Strande aus die große Gefahr der in Not geratenen Seeleute, dann versuchten sie, mit ihren einfachen Booten zu den Unglücklichen zu fahren, um Hilfe und Rettung zu bringen. Aber dieses instinktive Gefühl des Helfenmüssens brachte nur in den wenigsten Fällen Erfolg, und manches Insulanerboot kenterte dabei, und mancher Insulaner musste selber bei dieser Bergung umkommen. Es fehlte eben an besonders seetüchtigen Rettungsbooten. So wurde um diese Zeit der Ruf nach Hilfe und Rettung immer deutlicher. Zwei Strandungen um die Mitte des vorherigen Jahrhunderts verstärkten diesen Ruf erheblich.
Am 08. November 1854 strandete bei der Insel Spiekeroog das Auswanderschiff „Johanna“ mit mehreren 100 Menschen an Bord. Viele von ihnen fanden den nassen Tod, und vom Strande aus waren erschüternde Szenen zu beobachten, ohne dass diesen Armen Hilfe gebracht werden konnte.
Einige Jahre später, am 10. September 1860, strandete vor unserer Insel die hannoversche Brigg „Alliance“. Wiederum mussten die Insulaner zusehen, wie einer nach dem anderen der Seeleute von den Brechern über Bord gespült wurde, ohne dass man hätte Hilfe bringen können.
Ein namentlich nicht mehr bekannter Augenzeuge war erschüttert und empört, als er die Insulaner beim Bergen des Strandgutes beobachtete und die vermutende Nichthilfsbereitschaft, sich um das Los der schiffbrüchigen zu kümmern, erleben musste. Sein Artikel wurde von den Zeitungsredaktionen des Festlandes übernommen. Und dort waren Männer wie Adolph Bermpohl und der Vegesacker Mitstreiter, Advokat C. Kuklmay, die diesen Artikel zu Aufrufen von Beiträgen zur Errichtung von Rettungsstationen auf den Inseln und an der Küste der Nordsee benutzten.
Hilfe der in Seenot geratenen Seeleute
DGzRS - Station Borkum
Laufend wird die Bevölkerung zur Hilfe der in Seenot geratenen Seeleute wachgerüttelt. Immer größer läuft die Propaganda an. Da ist der Oberzollinspektor, Georg Breusing, der am 02.März 1861 in EMDEN einen Rettungsverein gründet, einen „Verein zur Rettung Schiffbrüchiger in Ostfriesland“. Dieser Gründung folgen 1862 der „Hamburger Rettungsverein“ und 1963 der „Bremer Rettungsverein“, Kaufmannschaft und Reedereien von Emden, Leer und Papenburg kommen zusammen, um auf Borkum auch eine Rettungsstation zu errichten. So wird zu Anfang der 1860er Jahre auf Borkum ein Rettungsboot zur Bergung von Menschen aus Seenot stationiert.
Rettungsstationen werden errichtet
DGzRS - Station Borkum
1862 wird die Rettungsstation „West“ in den Süddünen – „Haus am Meer“ – und 1863 die Station „Ost“ in den Nordwestdünen – ehem. Speisegaststätte „Borkum-Riff“ – errichtet. Diese Stationen waren mit je einem Rettungsboot, den sogenannten „Francis-Booten“ ausgerüstet, die den Namen „Otto Hass“ und „Schwaben“ führten. Ihnen folgten „Ostfriesland“ und „Upstalsboom“. Diese Boote hatten ein Gewicht von ca. 13 Ztr., waren aus wellenförmig gepressten, mit galvanischen Zinküberzug und mit einem Ölfarbanstrich versehenen Eisenplatten und Rippen gebaut und dadurch leichter transportierbar. Um das Umschlagen und Versinken der Boote zu vermeiden, waren an Bug, Heck und an den Seiten luftgefüllte Kästen eingebaut. Zwecks Vermehrung der Tragfähigkeit und um ein gefährliches Anprallen mit dem havarierten schiff zu vermeiden, lief am oberen Rande ein mit dickem Segeltuch überzogener Korkring.
Der erste Borkumer „Vormann“ hieß Geerd Janssen Teerling (1828-1917). Sein Aufruf zur Rettung Schiffbrüchiger lautet am 08.September 1863 folgendermaßen: „Treibt ein Schiff oder Wrack in der Nähe unserer Küste, wird das Signal gesetzt bei dem Haus des Vogts oder auf dem Feuerturm (Leuchtturm). Das Signal ist eine blaue Flagge in Form eines Dreiecks. Dann müssen sich die Bootsleute bei dem sogenannten Schuppen, in dem sich das Boot befindet, in Staat versammeln (Rettungsschwimmerausrüstung).“ Ab 1865 war auch Willm Bakker als zweiter Vormann mit ihm bis 1880 tätig.
Auf dem Festlande nicht müßig gewesen
DGzRS - Station Borkum
Inzwischen ist man aber auf dem Festlande nicht müßig gewesen, die Werbetrommel für die Rettung Schiffbrüchiger weiter zu rühren. Seit 1861 ist ein dritter Rufer, ein Redakteur des Bremer Handelblattes, Dr. Arwed Emminghaus, noch dazugekommen. Und ihm gelingt es mit Klugheit, Diplomatie und Idealismus, alle Schwierigkeiten zu überwinden und am 29. Mai 1865 die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ ins Leben zu rufen. Mit ihrer Forderung, Abhilfe zu schaffen und an das Los der Schiffbrüchigen zu denken, wandten sie sich nicht an die Behörden, auch nicht an die Regierungen, sondern man richtete den Appell des Helfens an den Mitbürger und forderte von ihm Opfer an Zeit, Geld und wenn notwendig den Einsatz des eigenen Lebens. Sie sprachen die Menschlichkeit des Bürgers an und setzten seine Freiwilligkeit voraus. Und was dem Staat bisher nicht gelungen war, das gelang den Männern dieser Gesellschaft auf der Basis der Freiwilligkeit. Sie hatten Erfolg. Die Bevölkerung war so wachgerüttelt, dass das Seenotrettungswerk aufblühte und die Teilnahmslosigkeit am Schicksal der schiffbrüchigen gebrochen war. Aus den Strandgutbeflissenen Küsten- und Inselbewohnern wurden opferbereite Retter, aus den stumpf-teilnahmslosen Bürgern wurden selbstlose Förderer dieses Rettungswerkes.
So wurden langsam alle schon bestehenden Rettungsstationen an der Küste und auf den Inseln von dieser Gesellschaft übernommen. Langsam wurden die „Francis-Boote“ durch deutsche Ruderrettungsboote ersetzt, die sich bis zur Einführung der Motor-Rettungsboote hervorragend bewährten (im Heimatmuseum ist noch ein solches zu betrachten). Aber bis dahin mussten die Männer mit eigener Muskelkraft den Kampf mit den Gewalten des Meeres aufnehmen und die Rettung der Schiffbrüchigen unter den widrigsten Verhältnissen und gefahrvollsten Umständen versuchen. Der Vormann eines solchen Ruderrettungsbootes war von 1880 bis 1897 Thomas Bekaan.
BorkumIhm folgte von 1897 bis 1925 Hermann Klaas Akkermann (1859-1953), der vorher schon 16 Jahre als Bootsmann im Einsatz stand und dann 27 Jahre als Vormann tätig war. Letzterem gelang es, mit seinen Männern in diesem Zeitraum 102 Personen zu retten (seit Bestehen der Station Borkum bis 1900 – 137 Seeleute).
Technisierung der Rettungsboote
DGzRS - Station Borkum
Der Erzähler dieses Berichts hat 1927 noch erlebt, wie am Südstrand ein solches Ruderrettungsboot zu Wasser gelassen wurde. Doch die Zeit schritt auch hier weiter und vor allen Dingen in der Technisierung der Rettungsboote. Schon im Jahre 1918 wurde das erste Motor-Rettungsboot „Cal Laeitz“ als Strandrettungsboot in Borkum stationiert. Ab 1925 bis 1932 war Johann Willms Borkumer Vormann. Das erste 14 m lange Doppelschraubenboot „Hindenburg“ mit Dieselmotor kam 1927 nach Borkum. Ihm folgten 1932 das Boot „August Nebelthau“ und 1937 das Boot „Hindenburg“, welches 1940 unter seinem bewährten Vormann, Hans Lüken, der von 1932 ab die Borkumer Station leitete, und mit fünf weiteren Rettungsmännern vom Einsatz nicht zurückkehrte. Einen Rettungsmann und einen Rettungsring spülte die See uns als letzte Erinnerung auf den Strand (Denkmal in der Süderstraße).
Nachdem dann in der Folgezeit noch die Boote „Konsul Kleyenstüber“ und „Geheimrat Gerlach“, die von dem Vormann Folkert Meeuw von 1941 bis 1945 bedient wurden, hier stationiert waren, kam kurz nach dem 2. Weltkrieg das Motorrettungsboot „Borkum“, das von dem damaligen Vormann, „Wilhelm Eilers“, gefahren wurde. auf diesem Boot war dann noch der frühere Vormann Folkert Meeuw als Bootsmann tätig. Damit übernahm am 1. April 1945 Wilhelm Eilers, ein Juister Insulanerkind, die Leitung der Station Borkum der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“.
Opferbereitschaft der Mitbürger
DGzRS - Station Borkum
Durch die sich immer mehr verstärkende Opferbereitschaft der Mitbürger konnte die Gesellschaft an den weitern Ausbau der Rettungsstationen und an die Technisierung der boote denken und letzter mit Sprech- und Hörfunk, mit Echolot, Radar und Funkpeiler versehen und sie durch Mitaufnahme eines sogenannten Tochterbootes für die Rettungsfahrten auf das seichte Watt ausrüsten. So bekam unsere Station 1957 den Seenot-Rettungskreuzer „Theodor Heuss“.
Der damalige Bundespräsident war es selber, der am 12. Februar 1957 in Bardenfleth / Weser dieses Boot auf seinen taufte mit dem sinnvollen Spruch: „Fahre Schiff, ein tapferer Retter, durch die Stürme böses Wetter zu dem Bruder, der in Not, bis dein Helfen sich ihm bot, dass das große Vorbild bleibe, Tapferkeit und Menschenliebe.“
Gefahrvolle Rettungsfahrten
DGzRS - Station Borkum
1963 wurde dieses Boot abgelöst durch die „Georg Breusing“. Der ehemalige Vormann Wilhelm Eilers konnte von vielen gefahrvollen Rettungsfahrten erzählen. Einer seiner gefahrvollsten Einsätze war wohl die Strandung der „Teeswood“ auf dem Möwensteert im Angesicht der Insel, am 28. November 1951, da drei Mann – 13 Seeleute retten konnten und wobei das Boot mit seinen Männern selber in höchste Seenot geriet und fast von der tobenden See mitverschlungen worden wäre.
Angesichts dieses gefahrvollen Einsatzes erhielt der Vormann Wilhelm Eilers 1952 aus den Händen des Bundespräsidenten Theodor Heuss die Goldene Rettungsmedaille, und er und sein Bootsmann, Folkert Meeuw, wurden am 01. Mai 1952 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande bedacht.
Große Rettungserfolge dieser Gesellschaft
Wenn man heute die großen Rettungserfolge dieser Gesellschaft in den verflossenen 150 Jahren ihres Wirkens in nüchternden Zahlen zu erwähnen versucht, so verbergen diese Zahlen doch den Einsatz eines stillen Heldentums, eines fortlaufenden Einsatzes des eigenen Lebens und eines daheim zitternden Wartens der Angehörigen, der Frauen und Kinder dieser Rettungsmänner.
Ab 1976 bis 2001
Ab 1976 bis 2001 übernahm der Vormann Karl Friedrich Brückner die Station Borkum. 1988 wurde der Seenotrettungskreuzer „Georg Breusing“ außer Dienst gestellt und die Gesellschaft stationierte auf der Station Borkum (17.06.1988), den Neubau eines Seenotrettungskreuzers, namens "Alfried Krupp" mit Tochterboot "Glück Auf".
Viele opferbereite Hände
Vergessen wir aber auch nicht die vielen, vielen opferbereiten Hände, die durch ihre segenspendenden Gaben in die aufgestellten Blech- Schiffsbüchsen – Sammelschiffchen, durch Sammlungen in Schulen und Vereinen, durch Mitgliedschaft und besondere Spenden dieses Rettungswerk der Deutschen Gesellschaft zurr Rettung Schiffbrüchiger erst ermöglichten. und das ist letzthin das immer wieder hervorstechendste Merkmal dieser Gesellschaft, dass zwei Hände ineinandergreifen, eine freiwillig gebende und eine freiwillig rettende, einsatzbereite, und dass durch dieses herrliche Zusammenwirken edler Menschenliebe solche Taten vollbracht werden konnten und können.
Möge diese Gesellschaft auch weiterhin das segensreiche Werk der Nächstenliebe an den in Seenot geratenen Menschen fortzusetzen vermögen! Möge die schwarzumrandete weiße Flagge mit dem roten Hanseatenkreuz in der Mitte auch weiterhin den Seeleuten auf den Meeren das Wort „Rettung“ entgegen rufen können! Mögen sich Menschen finden, die willig sind, für das Leben und Wirken einer Gemeinschaft etwas zu tun, auf dass sie empfinden, dass diese angesprochene Freiwilligkeit des Gebens und Opferns für diese Zwecke zutiefst der Würde des Menschen entspricht, und dass dadurch die sittlichen Kräfte edlen Menschseins offenbar werden!