Bau der Wandelhalle
Aufzeichnungen, Protokolle, Pläne, Entwürfe vom Bau der Wandelhalle wurden bis Februar 1991 nicht gefunden. Um den Werdegang der Wandelhalle zurückverfolgen zu können, müssen wir auf die Veröffentlichungen in der damaligen „Borkumer Zeitung u. Fremdenliste“, sowie dem „Borkum-Führer“ von 1912 (damaliger Prospekt) zurückgreifen.
Warmwasserbadeanstalt des Nordseebades Borkum erbaut in der Saison 1887.....
Der Bau einer Wandelhalle wurde konkret.
Oktober 1910
Der Bau einer Wandelhalle wurde konkret. Der Architekt Golle wurde mit Anfertigung eines Querschnitts und Vorlage einer ungefähren Kostenrechnung beauftragt. Eine Kommission wurde gebildet, die ähnliche Anlagen in Scheveningen (Holland) und Blankenberghe (Belgien) besichtigen sollte.
Gemeindeausschuß=Sitzung vom 18. Oktober
In Sachen der Erbauung einer Wandelhalle wurde auf Grund des Ergebnisses der stattgefundenen Besichtigung beschlossen, einen engeren Wettbewerb unter 3 Architekten zu veranstalten. – Die Wandelhalle soll sich über die ganze Länge der Kaiserstraße erstrecken und in der Breite von 10 Metern angelegt werden. Von der Strandstraße bis Prinz Heinrichstraße soll eine bedeckte Wandelhalle mit Lese=, Spielsalon und Musikpavillion und in die Treppen Wasserklosetts eingebaut werden. – Es wird geplant, zunächst den Mittelbau (bedeckte Wandelhalle) mit Treppen= und Musikpavillion zur Ausführung zu bringen und die Verlängerungen nach Süd= und Nord nur projektieren zu lassen. Für den in Angriff zu nehmenden Bau wurde als Höchstgrenze das von der Gemeindeversammlung zur Verfügung gestellte Kapital von 120 000 Mark bestimmt. Die Einreichungsfrist für die Entwürfe ist auf 15. November festgesetzt. – Die Art der Ausführung behält sich der Gemeindeausschuss vor.
Amtliches
Bekanntmachung
Die Entwürfe für das Wandelhallen=Projekt werden am Sonntag, den 24. Novbr. er. von 11 – 12 Uhr vormittags, und von 2 – 4 ½ Uhr nachmittags im hiesigen Rathause zur Kenntnisnahme der Einwohnerschaft öffentlich ausgestellt.
Der gleichzeitig anwesende Architekt Herr Golle wird bereit sein, etwa gewünschte Auskünfte zu erteilen.
Borkum, der 24. Novbr. 1910
Der Gemeindevorstand.
Kieviet.
Das Rathaus war Anziehungspunkt
24. November
An diesem Sonntag waren in einigen Räumlichkeiten des neuerbauten Rathauses die Entwürfe und Schnitte der projektierten Wandelhalle auf mehreren Staffagen angebracht. Das Rathaus war Anziehungspunkt vieler Interessenten. Ziesel u. Friederichs, Architekten, Köln, (diese Firma hatte auch ein Gipsmodell ausgestellt), Professor Möhring, Architekt, Berlin, Paul Kossel und Cie., Bremen. Letztere Firma war mit 2 Entwürfen unter den Mottos „Am Nordseestrand“ und „Weltbad“ vertreten.
Gemeinde-Ausschusssitzung
13. Dezember
In der Gemeinde-Ausschusssitzung wurde beschlossen, den Entwurf der Architekten Ziesel u. Friederichs anzunehmen. Durch Schreiben beschwerte sich Architekt Wels aus Berlin, das sein Entwurf keine Annahme gefunden hat, obwohl die projektierte Anlage doch lediglich seiner Idee entsprungen sei. Hierüber sollte Urteil eines Rechtskundigen eingeholt werden. Der an der Sitzung teilnehmende Architekt Friederichs erläuterte sein Projekt anhand der aufgestellten Pläne:
Gemeinde=Ausschusssitzung vom 13. Dezember.
In Frage kommt vorläufig nur der Teil von der Strand= bis zur Prinz Heinrichstraße. Die Halle wird eine Länge von 114 Metern erhalten bei einer Breite von 8 Metern. Vorgesehen ist ein großer Zentralraum in elliptischer Form; hinter demselben befindet sich ein Bufet mit den entsprechenden Räumlichkeiten. An den Enden der Halle werden Spiel= und Lesesäle in den Abmessungen 9x10 Meter untergebracht. Vor der Halle erstreckt sich eine Terrasse und in der Mittelachse der Halle in entsprechender Entfernung der Musikpavillion, der Raum für ein 14köpfiges Orchester bietet. Die Zugänge zu der Halle sind von den Treppenaufgängen gedacht und durch Dreh= oder andere Türen geschlossen. Zwischen Treppen und Vorhallen liegen die Toiletten und sind hierbei besonders die sanitären Vorschriften in Bezug auf Licht und Luft genügend berücksichtigt. Bei der Konstruktion der Halle glaubt der Architekt ohne Eisen auszukommen. Die Architektur der Halle sei auf Wunsch der Kommission in Beton gedacht. Der ganze Bau wird etwa 4,50 Mtr. Hoch.
Es schloss sich eine Diskussion über die Verzinsung des Projektes an: die Kursteuer sollte in geringer Weise erhöht werden, einen teil der Zinsen sollte die Erfrischungshalle erbringen, der Rest sollte von der Gemeindekasse übernommen werden. Einige Hoteliers sprachen sich jedoch gegen die Einrichtung einer Erfrischungshalle aus.
v. Dyken ist gegen jede Erhöhung der Kursteuer, Köhler wünscht Erhöhung der Kursteuer, Schmidt kritisiert den vorliegenden Entwurf des Projektes in welchem die angegebenen Räumlichkeiten kein Erfrischungsraum mehr seien sondern mehr schon für ein Restaurant berechnet sind. Köhler erklärt sich noch einmal gegen das Projekt.
„Wegen des Geländes stehe die Gemeinde in Kaufverhandlungen und wird das ganze Terrain 48000 Mark kosten. Die Regierung wünsche vorerst noch über einige Punkte Aufklärung und wolle er (Ortsvorsteher Kieviet) morgen nach Aurich; man möge ihm aber noch einen Herren vom Ausschuss mitgeben. Ablehnen könne man den angebotenen Kauf nicht. Würde von Seiten der Gemeinde dort am Strande nichts unternommen, dann bestünde die Gefahr, dass die Regierung den Platz anderweitig verpachte, was für die Hotels am Strande schlimmer sei als eine Wandelhalle mit Erfrischungsraum.“ (so der Berichterstatter)
Mitteilung über Verhandlungen
Ausschusssitzung vom 17. Dezember
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung und macht Mitteilung über die Verhandlungen, die er in Gemeinschaft des A. M. Hawich mit den Dezernenten der königl. Regierung in Aurich geführt hat. Die Regierung stellt noch einige Bedingungen bezgl. der Erwerbung des Geländes für den Bau der Wandelhalle. Der Vorsitzende hat die Bedingungen formuliert und bittet um Annahme derselben, welche wie folgt lauten:
- 1. Es muss ein Gemeindebeschluss herbeigeführt werden, nach welchem Kochküchenbetrieb in der Wandelhalle ausgeschlossen ist
- 2. Von der unteren Promenade ist außerhalb der Badesaison ein Streifen von 5m Breite längs der Strandmauer der Wasserbauverwaltung zwecks eventl. Lagerung von leichten Baumaterialien zur Verfügung stellen, wenn die im Interesse der Strandschutzbauten erforderlich wird.
- 3. Die zwischen Kaiserstraße und der Wandelhalle belegene Fläche soll nur den Zwecken der Promenade dienen und in seiner Weise bebaut werden.
- 4. Die Gemeinde hat sich mit der grundbuchlichen Festlegung dahingehend einverstanden zu erklären, dass sie der Kleinbahn oder deren Besitznachfolger das Recht einer Gleisanlage über den Platz zwischen Kaiserstraße und Wandelhalle dauernd einräumt.
- 5. Die Gemeinde bittet die Kaufgelder in 5 Jahresraten zu entrichten und zwar dergestalt, dass ein Fünftel bei Fertigstellung des ersten Teiles der Wandelhalle fällig wird, die übrigen Raten am 1. Juli 1912 u. f.f. bis am 1. Juli 1915 die letzte Rate fällig wird. Die Gemeinde bittet auch zu genehmigen, dass der jeweilige Rest des Kaufgeldes mit vier von Hundert verzinst wird. Die Befugnis größere Zahlungen zu leisten oder das Kaufgeld in einer Summe zu entrichten, bleibt der Gemeinde vorbehalten.
- 6. Die Gemeinde hat zu beschließen, die Straßenmündungen der Prinz Heinrich Straße, Strandstraße und Viktoriastraße dauernd auf den Gemeindeetat zu übernehmen unter oder ausdrücklichen Verpflichtung, diese Flächen stets nur als Zuwegungen zum Strande zu benutzen.
1911
Zum Bau der Wandelhalle.
19. Januar
Es kann nun sicher gelten, dass der mittlere Teil der Wandelhalle noch bis zum Beginn der diesjährigen Saison fertig gestellt wird. Nachdem die von den Architekten Ziesel & Friederich in Köln umgearbeiteten Pläne hier eingegangen waren und auch die ministerielle Genehmigung unmittelbar bevorsteht, fand am Mittwoch Nachmittag seitens des Gemeindeausschusses und der Badedirektion eine Besichtigung des abgesteckten Geländes statt. Es wurde sodann gleich an Ort und Stelle beschlossen, mit den Erdarbeiten unverzüglich zu beginnen und den Bau nach Möglichkeit zu fördern.
11.Februar
Am Freitag wurden die Erdarbeiten, welche durch den Wandelhallenbau erforderlich werden, vergeben. Es waren sechs Offerten eingereicht. Mindestfordernde war die Fa. Paul Kossel u. Cie. Hierselbst mit Mk. 10600. Die höchste Offerte lautete auf Mk. 26500. Es beträgt mithin die Differenz zwischen höchster und niedrigster Offerte Mk. 15900! Ein nettes Sümmchen!!
13. April
Verpachtung der Wandelhallen-Wirtschaft. Von den 6 Offerten erhielt der Hotelier Otto Kämpfer den Zuschlag.
3. Juni
Die Borkumer Badezeitung u. Fremdenliste berichtete über die umfangreichen Baumaßnahmen der Wandelhalle in den letzten Monaten:
Die in Eisenbeton konstruierte Wandelhalle
Die in Eisenbeton konstruierte Wandelhalle ist vorläufig 180 Meter lang, soll aber später auf 500 Meter verlängert werden (320m). Sie steht in der Verbindung mit einer neuen 14 Meter breiten Strandpromenade und einem 3000 Quadratmeter großen Konzertplatz in dessen Mitte sich ein für 40 Musiker Platz bietender Musikpavillion erhebt. Die Halle kommt in ihrem architektonischen Aufbau hauptsächlich vom Strande aus gesehen zur Geltung, da sie zwischen der darüber führenden Kaiserstraße und der 6 Meter unterhalb befindlichen Strandmauer liegt.
Den Mittelpunkt der Anlage bildet ein 250 Quadratmeter großer Zentralraum mit Küchenräumen und Büffets. Nach beiden Seiten schließen die 8 Meter tiefen Wandelhallen an. Da diese mit großen Schiebefenstern versehen sind, kann man auch bei schlechtem Wetter den Blick auf das Meer von der Halle aus genießen. Monumentale Treppen führen von der Kaiserstraße zur unteren Promenade und zum Strande. Hinter den Treppen befinden sich auf das modernste ausgestattete Garderobe= und Toilette= Räume. Die Baukosten des zunächst ausgeführten Teiles der Wandelhalle betragen etwa 4500000 Mk.
Ein monumentaler Abschluss
Ein monumental wirkenden Abschluss nach dem tiefer liegenden Strande hin hat diese hochgelegene Terrasse nunmehr durch die Wandelhalle bekommen, die in ihren wesentlichsten, dem mittleren Teile, schon für die Kurzeit 1911 fertig gestellt war. Diese ganz neue Anlage umfasst eine bequeme, geräumige Promenade mit Musikpavillion in unmittelbarer Nähe des Strandes und in Höhe der Strandmauer, die gleichzeitig umfangreich genug ist, um einen ungestörten Verkehr während des Strandkonzerts zu ermöglichen, und außerdem einen überdachten Raum, die eigentliche Wandelhalle, die auch bei weniger freundlichen Wetter einen geschützten Aufenthalt bietet.
Das gewaltige Bauwerk ist dem früher offen liegenden Dünenabhang unmittelbar vorgebaut uns schließt nach dem Strande hin mit der alten Strandmauer ab. Der Gesamtkostenaufwand beträgt ½ Millionen Mark.
Die neue Promenade mit Wandelhalle liegt etwas tiefer als das Terrain der Kaiserstraße, die bis dahin schon, wie oben erwähnt, eine unvergleichliche Meeresterrasse bildete und nunmehr durch die architektonisch wirksame Zinnenkrönung des Daches der Wandelhalle eine Verbindung mit der neuen Anlage erhalten hat, durch die ihr eigener bisheriger Charakter nur noch gehoben wird.
Der mittlere zunächst hergestellte Teil von 170 Meter Länge hat zwei seitliche, mächtige Treppenanlagen, die von der Kaiserstraße zum Strande hinunterführen. Dazwischen ist die 8 Meter tiefe Wandelhalle eingebaut und davor liegt der 3000 Quadratmeter große Konzertplatz mit in der Mitte vorgelagertem Musikpavillion. In den Treppen sind auf das modernste ausgestattete Garderoben- und Toilettenräume eingerichtet. Ein 250 Quadratmeter großer Mittelraum der Wandelhalle mit Büffeteinrichtung ermöglicht Einnahme von Erfrischungen auch am Strande.
Ohne Überhebung darf von der neuerbauten Wandelhalle behauptet werden dass kein deutsches Seebad etwas, auch nur annähernd dem zu Vergleichendes an die Seite zu stellen hat. Die Wandelhalle hat diese Strandpartie noch mehr, als es bisher der Fall war, zum Mittelpunkt des Badeverkehrs gemacht.